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GROSSGLOCKNER (3798m) STÜDLGRAT

Lange und schöne Hochtour über einen der schönsten Grate auf einen der berühmtesten Berge der Alpen.

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Klettern in Arco oder der letzte Ausflug ins Hochgebirge vor dem kalten Teil des Herbsts – das war die Frage! Jana und ich entscheiden uns recht kurzfristig für Osttirol und fahren über das lange Wochenende per Campingbus nach Kals, um das hervorragende, spätsommerliche Wetter am Berg voll auszunutzen. In Arco wäre es vermutlich sowieso sehr voll.

Nach einer Akklimatisierungstour am Tag zuvor (Böses Weibele), stehen wir früh auf und lenken unseren Bus die Kalser Glocknerstraße zum Lucknerhaus hinauf. Um 5:15 Uhr starten wir am Parkplatz mit dem Ziel: Großglockner.

Die Stüdlhütte im ersten Morgenlicht

Da wir uns den Stüdlgrat vorgenommen haben und die Stüdlhütte noch geöffnet ist, wissen wir, dass wir nicht alleine sein werden. Das Wetter ist jedoch stabil und warm angesagt und so stressen wir uns nicht. Noch im Dunkel der Nacht beginnen wir den Aufstieg mit Stirnlampe und erreichen nach rund 90 Minuten die Stüdlhütte auf 2802 m. Die knapp 900 hm gingen uns trotz der Rucksäcke mit voller Hochtourenausrüstung in Trailrunnern doch recht flott von den Füßen.

Die Deferegger Alpen und Dolomiten erwachen
Hochschober mit dem ersten herbstlichen Schneefall

Wir machen eine Pause auf der Stüdlhütte und wechseln auf Bergschuhe. Die Trailrunner lassen wir gleich da, denn ein Getränk am Abstieg auf der Terrasse der Stüdlhütte sollte es dann schon noch sein – doch dazu später mehr. Pünktlich zum Sonnenaufgang steigen wir hinter der Hütte in Richtung „Schere“ auf. Der Pfad im Schutthang ist einfach zu finden und so kommen wir zügig voran. Der Sonnenaufgang ist wie immer hier oben wunderschön, denn die Deferegger Alpen werden in ein wunderbares, goldenes Morgenlicht getaucht.

Zum ersten Mal können wir den Stüdlgrat aus der Nähe in Augenschein nehmen

Unterhalb der Schere erreichen wir auf etwas über 3000 m das Teischnitzkees. Dieses ist zwar weitgehend unschwierig zu begehen, doch hat es hier und da ein paar Spalten. In den schattigen Ecken hält sich auch im Herbst noch hartnäckig ein wenig Firn und so legen wir nach wenigen hundert Metern auf dem Gletscher dann auch das Seil an.

Meist ist der Gletscher aper und das Seil wäre nicht nötig, ein paar Spalten mit Firnauflage gilt es jedoch auch zu queren
Ein wunderschöner Herbsttag bricht an

Nicht näher möchte ich auf die zum teil abenteuerlichen Experimente eingehen, die einige Seilschaften veranstalten. Trailrunner und Steigeisen mag bei Top-Alpinisten hier und da eine Option sein, jedoch nicht am Ende der Saison, wenn mehr Blankeis als Stapfschnee zu bewältigen ist. Glücklicherweise überholen wir diese Seilschaften recht zügig und erreichen bald eine Höhe von 3300 m, auf der wir in die Felsen wechseln. Leider verpassen wir den richtigen Einstieg um ein paar Meter und müssen zur Strafe die Wadenmuskeln etwas stärker aktivieren als geplant. Da wir uns den Weg zurück zum richtigen Einstieg sparen wollen, geht es eben ein steiles und fast blankes Firnfeld auf den Frontzacken bis hinauf in die Felsen.

Kleiner Ausflug ins etwas steilere Gelände – die Originalroute ginge ein paar Meter weiter vorne durch die Blöcke

Die erste Schlüsselstelle ist also überwunden und wir kraxeln noch ein paar Meter in den Felsen bis zur Gratschneide, wo wir uns der gezackten Freunde entledigen. Ohne Steigeisen geht es in der Folge im spaßigen Ier- und IIer-Gelände aufwärts, immer links vom Grat oder direkt auf dem Grat. Wir stressen uns nicht und erreichen kurz nach 10 Uhr den sogenannten „Frühstücksplatz“ auf 3550 m. Bis auf eine II+-Stelle ist die Kletterei bis hier hin eher leicht. Die klettertechnischen Anforderungen nehmen in der Folge dann doch etwas zu.

Die ersten spaßigen Meter auf dem weltberühmten Stüdlgrat
Unterhalb des Frühstücksplatzes geht es meist unschwierig im IIer-Gelände aufwärts

Los geht es – inzwischen am laufenden Seil – gleich mit einer IIIer-Stelle, die ein wenig Armkraft fordert. Etwas steiler folgen wir in den nächsten Minuten dem Grat nach oben. Die Sicherungsmöglichkeiten sind mehr als üppig und mit 3-4 Expressschlingen kann man nahezu durchgehend am laufenden Seil mit einer oder zwei eingehängten Sicherungen gehen. Das nehmen wir nicht dauerhaft in Anspruch, aber die meiste Zeit kostet uns das Sichern auch keine zusätzliche Zeit. Nach einigen Aufschwüngen im II. Grad folgt dann eine etwas knackigere Stelle, die aber mit einem Drahtseil deutlich entschärft ist (III/A0).

Der „Hangelgrat“ – anhand der Vielzahl an Bohrhaken ist die etwas ausgesetztere Passage deutlich entschärft

Den klassischen „Stüdlgrat Signature Shot“ machen wir dann am sogenannten „Hangelgrat“ (III) auch noch – hier ist die Exponiertheit etwas größer als vorher und die Haken haben sicher schon dem ein oder anderen ein sicheres Gefühl gegeben. Noch eine weitere knifflige Stelle ist ein Aufschwung über einen Felsvorsprung, wo man gegenüber auf einen Felszacken stehen muss, um über den Vorsprung hinweg zu reichen. Ein glatter IIIer ist zu klettern und sicher bei Vereisung oder großer Kälte eher heikel. Wir sind inzwischen kurz unter dem Gipfel und nach einigen IIer Passagen und etwas Gehgelände stehen wir kurze Zeit später am Gipfel des Großglockner (3798 m)!

Aussichten und spektakuläre Szenerie en masse!
Tiefblick auf den Stüdlgrat

Der Moment ist wie schon bei meinem ersten Besuch auf dem höchsten Punkt Österreichs perfekt. Es ist angenehm warm und absolut windstill. Am 2. Oktober ohne Handschuhe auf dem Gipfel des Glockners – Wahnsinn! Wir teilen uns den Gipfel mit ein paar anderen Seilschaften, doch nach kurzer Zeit haben wir dann sogar ein paar Minuten den Gipfel für uns allein. Es ist wolkenlos, der Herbst liegt in der Luft und die Stimmung ist einfach perfekt. Da es auch erst kurz nach 12 Uhr am Mittag ist, haben wir keinen zeitlichen Stress. Wir sitzen deutlich über eine Stunde am Gipfel und machen uns nur ganz langsam auf den Weg in Richtung Abstieg.

Seven Summit der Alpen #2 für Jana
Dunst und Licht sorgen für tolle Layer
Viel Zeit für Fotos am höchsten Punkt Österreichs
Mit dem Scarpa Ribelle Tech HD 2 – nach Anlaufschwierigkeiten jetzt doch ein toller Schuh
Tiefblick in Richtung Lucknerhaus
Die „Weltalte Majestät“ – der Großvenediger
Die Gipfelpause wird länger und länger
Oberwalderhütte und Großes Wiesbachhorn

Auch wenn wir noch stundenlang hier hätten sitzen können, so machen wir uns kurz vor 13:30 Uhr wieder auf, um den Abstieg in Angriff zu nehmen. Die folgende Route kenne ich noch aus dem März 2022, wo ich am Ende der Hochtirol mit Thomas und Toni auf dem Großglockner stand. Noch geht es hervorragend ohne Steigeisen und wir kommen zügig in Richtung Glocknerscharte. Über Kleinglockner und leichtes Klettergelände geht es zum Glocknerleitl, wo wir die Steigeisen wieder anlegen. Glücklicherweise habe ich noch im Kopf, dass die Variante auf der linken Seite (Blick nach unten) deutlich geschickter ist und so landen wir nach der Passage mit den fixen Tauen nicht zu sehr im blanken, steilen Gelände und spazieren ganz bequem über das Firnfeld unterhalb dem Glocknerleitl in Richtung Adlersruhe.

Abstieg in die Glocknerscharte und gegenüber auf den Kleinglockner
Der Normalweg ist mehr als gut abgesichert

An der Erzherzog-Johann-Hütte machen wir nochmals eine kurze Foto-Pause und wandern dann ohne Steigeisen den Mürztaler Steig hinunter. Ich hatte es vielleicht nicht mehr richtig im Kopf, aber der Komfort des Steigs (mit Drahtseil in Handlaufhöhe) haut mich quasi aus den Schuhen. Wir steigen zum Gletscher hinunter und ziehen ein letztes Mal die Steigeisen an.

Rückblick zum Gipfel – kaum vorzustellen, dass wir im März 2022 die felsige Flanke zum Gletscher hin mit Ski abgefahren sind
Der Stüdlgrat im Profil vom Ködnitzkees aus

Nach einer kurzen Querung des Ködnitzkees verschwinden die gezackten Freunde wieder im Rucksack und wir laufen hinunter zur Stüdlhütte. Kurz vor 17 Uhr sitzen wir beim Holunderschorle auf der Hüttenterrasse und genießen die – immer noch – scheinende Sonne und den wolkenlosen Himmel. Nach dieser willkommenen Erfrischung, steigen wir in einer starken Stunde hinunter zum Lucknerhaus und beenden kurz vor 19 Uhr diese wunderschöne und abwechslungsreiche Tour.


Facts zur Tour

  • Mühen: Viele Höhenmeter, wenn man vom Tal geht – viel Verkehr an sonnigen Tagen
  • Freuden: Wunderschöne Aussicht, spaßige Kletterei
  • Risiken: Steinschlag bei vielen Seilschaften und durchaus Spalten auf dem Teischnitzkees
  • Aufstieg: 2000 hm / 6:30 h (ab Lucknerhaus)
  • Abstieg: 2000 hm / 5:00 h (bis Lucknerhaus)
  • Exposition: Süd, Südwest, Südost
  • Schwierigkeit: ZS+ / III+
  • Charakter der Tour: Hochtour mit langer Gratkletterei
  • Equipment: Gletscherausrüstung, 30m Seil
  • Beste Jahreszeit: Juli – Oktober

Fazit

Der Stüdlgrat ist nicht zu Unrecht eine der beliebtesten Grattouren im Ostalpenraum. Die Tour ist sehr abwechslungsreich und die Kletterei sehr spaßig – wenn man den III. Grad sicher beherrscht. Für uns waren die Schwierigkeitsbewertungen genau zutreffend und die Zeitangaben sind realistisch. In einem Zug vom Tal sollte die Kondition stimmen, denn es sind rund 2000 Höhenmeter zu bewältigen, davon 600 hm kletternd. Für den Abstieg sollte genug Zeit einkalkuliert werden, die Route ist zwar durchversichert, aber gerade aufgrund der Beliebtheit der Tour kann es hier zu Wartezeiten kommen.

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