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HOHER SEEBLASKOGEL (3235m)

Lange Skihochtour auf einen der höheren Gipfel im Sellrain.

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Ende März verbringen Jana und ich ein wunderbar sonniges Wochenende im Sellrain. Es ist das Ende einer vierwöchigen Hochdrucksituation, die zwar für erstklassiges Wetter gesorgt hat, den Alpen jedoch keinen Niederschlag gebracht hat. So wird der März 2022 als überdurchschnittlich trocken in die Geschichte eingehen – normal ist der März der niederschlagsreichste Monat im alpinen Winter.

Noch ausreichend Schnee in Lüsens am Beginn der Loipe, im Hintergrund der Lüsener Fernerkogel und links die „Mauer“

Die durch den starken Wind vom Januar und Februar magere Schneelage zeigt sich auch im Sellrain und so ist die Wahl der richtigen Tour schnell getroffen, denn zum Lüsener Ferner hinauf dürften nur noch Mixed-Kletterer Spaß in der „Mauer“ haben. Mit Ski ist dort nicht mehr viel zu machen.

Durch die Waldschneise geht es hinauf ins Längental

So starten wir um kurz vor 8 Uhr am Parkplatz am Gasthof Lüsens und schnallen in der kalten Morgenluft die Tourenski an. Langlaufski wären hier auch ein passendes Fortbewegungsmittel, denn die ersten 2km laufen wir auf der Loipe ins Tal hinein – so wie für fast alle Touren in Lüsens. Am Ende des Fernerbodens angekommen, wenden wir uns am Jugendheim nach Westen, wo der Sommerweg zum Westfalenhaus abzweigt. Hier hat man die Möglichkeit, über die Abfahrtsroute durch den Wald aufzusteigen – diese ist aber häufig sehr bucklig ausgefahren und so entscheiden wir uns für die Variante weiter links über einen steilen Hang, auf dem schon die ersten Nassschneelawinen des Frühjahrs abgegangen sind

Kurz nach Beginn des Längentals, im Hintergrund das Ziel des heutigen Tages

Eine recht steil angelegte Spur führt bergwärts und so beginnt die morgendliche Spitzkehrenparty hinauf in Richtung Längental. Die letzten Meter sind noch ein kleiner Ausflug in die Botanik – so muss man hier ein paar größere Erlensträucher durchsteigen. Im Hochtal angekommen, können wir uns auch der Harscheisen entledigen und folgen nun dem Talboden nach Westen, bis das Westfalenhaus auf der rechten Seite auftaucht.

Nach kurzer Zeit kommen wir wieder in den Schatten

Dass wir an diesem sonnigen Samstag Ende März im Sellrain logischerweise nicht allein unterwegs sein werden, merken wir spätestens jetzt, als sich ein paar weitere Skitourengeher ins Längental gesellen, die wohl auf dem Westfalenhaus übernachtet haben. Die Ausaperung gleicht schon eher Ende Mai denn Ende März, so sind alle Südhänge bereits bis auf fast 3000m hinauf schneefrei.

Der Hohe Seeblaskogel, gesehen auf Höhe des Westfalenhauses – links vom Gipfel die tückische Wechte, die hier kaum auszumachen ist

Wir setzen unseren Weg hinter dem Westfalenhaus, in Aufstiegsrichtung gesehen auf der rechten Seite des Tals, fort und haben schon 8km und 800hm zurückgelegt, als wir dann im Bereich des Sommerwegs auf einen Steilhang zuhalten, der durch seine ostseitige Exposition schon etwas aufgeweicht ist und vor allem bereits früh morgens in der prallen Sonne liegt.

Wir verlassen das frühlingshafte Längental in Richtung Grüne Tatzen Ferner

Wir bekommen die hohen Temperaturen so richtig zu spüren und der Schweiß rinnt uns in Strömen herunter. Wir arbeiten uns in rund einer Stunde den Steilhang hinauf und betreten auf knapp 2900m den Grüne Tatzen Ferner, der nicht mehr als ein abgestorbenes Ganzjahreseisfeld ist, denn allen Gletschern im Sellraintal fehlen mittlerweile die Nährgebiete – es gibt nur noch Zehrgebiete.

Oberhalb des Längentals mit Lüsener Spitze (links) und Hinterer Brunnenkogel (rechts)

Im Hochtal auf dem Gletscher ist die Steigung eher moderat, trotzdem tut die Sonne ihr Übriges, um uns zu zermürben. Kurz vor 13 Uhr haben wir dann das Skidepot unterhalb des Gipfelaufbaus erreicht. Von hier sind es noch wenige Schritte auf den Gipfel – die Steigeisen können wir heute im Rucksack lassen, ein paar andere Partien haben sie jedoch angelegt.

Die Sonne fordert ihren Tribut: der Aufstieg in Richtung Gipfel erfolgt in großer Hitze

Beim Anstieg zum Skidepot achten wir darauf, uns eher links im steilen Bereich zu halten. Die berüchtigte Gipfelwechte am Hohen Seeblaskogel hat schon viele Todesopfer gefordert, da sie zu keinem Zeitpunkt im Anstieg einsehbar ist. Skitouren-Guru Lukas Ruetz beschreibt sie in seinem Blog daher auch als „hinterfotzig“. Diesen Begriff teile ich – wir haben aber das Glück, dass aufgrund des wenigen Schnees, so viele Steine herausschauen, dass wir uns an diesen gut orientieren können.

Panorama in Richtung Ötztaler Alpen

Am Gipfel des Hohen Seeblaskogel (3235m) angekommen, empfängt uns abermals ein tolles Panorama mit Rundumsicht in die Ötztaler, Stubaier und Sellrainer Berge. Die Temperatur ist so angenehm, dass eine Pause im Pulli und ohne Handschuhe am Gipfel geradezu angenehm ist. Wir genießen eine längere Gipfelrast und neben Fotos sind auch ein paar Snacks zeitlich drin.

Wildspitze, Weißkugel und Weißseespitze am Horizont
Zeit für ein paar Foto-Sessions an diesem wunderbar warmen und sonnigen Tag
Der jüngste Sahara-Staub ist noch zu erahnen
Jana am Gipfelkreuz, im Hintergrund der markante Schrankogel
Der Längentaler Ferner und im Hintergrund die Wilde Leck

Nach der Gipfelpause geht es zu Fuß zurück zu den Ski. Anfangs noch in Schrägfahrt, queren wir den ersten Steilhang. Die Schneequalität im oberen Bereich ist leider mäßig und so hoffen wir auf ein bisschen Firn weiter unten. Auf 1600hm Abfahrt ist die Chance doch zumindest gegeben, ein paar gute Hänge zu finden.

Ein rundum toller Tag – wenn auch temperaturbedingt recht anstrengend

Nach den ersten Schwüngen in vereisten Schneebrocken, wird das Gelände flacher und der erste Firn zeigt sich. Auf dem Grüne Tatzen Ferner schwingen wir dann sogleich schon freudvoll hinaus, denn hier ist ein Hauch Firn zu spüren. Für richtig gute Schneequalität ist die südseitige Ausrichtung des Kars allerdings bei diesen hohen Temperaturen zu früh aufgeweicht. 

Tagesabschluss am Gasthof Lüsens bei erstklassiger Bewirtung

Nach Ausfahrt in Richtung Steilhang halten wir uns nicht im Bereich der Aufstiegsspur, sondern orthografisch rechts und fahren im flachsten Teil der Rinne hinaus. Auf ca. 2800m holen wir dann im weiten Rechtsschwung aus und tatsächlich ist die Schneequalität in den etwas schattigeren Hängen unter der Grünen Tatzen deutlich besser. So biegen wir in Richtung Norden ein und schwingen hinunter ins Längental. Dort angekommen, ist die Aufgabe denkbar einfach: Schwung mitnehmen, um mit möglichst wenig Anschieben hinaus zu kommen. Wir erreichen den Waldrand und entscheiden uns für die Abfahrt, welche direkt im Bereich der Materialseilbahn nach unten führt. Durch unwegsames und ausgefahrenes Gelände mogeln wir uns nach unten und schaffen es auch, die Steinkontakte auf ein Minimum zu begrenzen. Kurz oberhalb des Jugendheims kann man dann Schuss fahren, um die letzten zwei Kilometer auf der Loipe zurück zum Gasthof Lüsens zurückzulegen. Mit einigen Metern Skating läuft es dann doch ganz passabel und wir kommen bei strahlendem Sonnenschein am Nachmittag am Gasthof an, wo schon die verdiente Stärkung wartet.


Fazit

Der Hohe Seeblaskogel ist mit 1600hm ab Lüsens und 22km Gesamtlänge einer der eher längeren Touren im Sellrain. Die schwierigste Stelle ist der Steilhang, welcher nach Osten exponiert ist und somit im Frühjahr nicht unbedingt am Nachmittag begangen werden sollte. Hier ist tadellose Spitzkehrentechnik nötig – wie auch im ersten Hang nach dem Fernerboden. Die Lawinengefahr sollte für die Tour gering sein und nach Neuschneefällen kann es schwierig sein, aus dem Fernerboden in das Längental hinauf zu kommen. Der Hohe Seeblaskogel wird auch im Hochwinter begangen. Harscheisen sind – wie auf allen Frühjahrsklassikern – Pflicht. Die Wechte im Gipfelbereich unbedingt beachten und vorher auf der Karte studieren. Lieber zu weit links als zu weit rechts halten.

Ein Gedanke zu „HOHER SEEBLASKOGEL (3235m)“

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