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KUHSCHEIBE (3188m)

Einsame und lange Skitour auf einen beliebten Skitourengipfel oberhalb der Amberger Hütte.

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Nach wie vor ist der Winter 2021/2022 für Skitourengeher kein Wintermärchen. Im Wissen, dass kurz vor Weihnachten sich natürlich viele Touren jahreszeitlich von vorn herein ausschließen, müssen Jana und ich sehr sorgfältig selektieren, um nicht nur sicher unterwegs zu sein, sondern auch Abfahrtsspaß zu finden. Neben dem Eiskögele zwei Tage zuvor haben wir daher die Kuhscheibe (3188m) im Sulztal oberhalb von Gries ins Auge gefasst. Thomas, der eigentlich auch mit dabei gewesen wäre, muss leider kurzfristig passen – seine Bindung ist unglücklicherweise am Tag zuvor gebrochen, als wir uns gemeinsam auf den Pisten von Obergurgl für den Skitourenwinter warmgefahren haben.

Frühmorgendliche Stimmung im unteren Sulztal

Die sich nach anhaltendem Altschneeproblem langsam weiter entspannende Lawinensituation und weiter tolles Hochdruckwetter mit ungetrübtem Himmel „all-day-long“ sind aus unserer Sicht günstig, um eine Tour zu gehen, die – wenn man sie vom Tal ohne Hüttenübernachtung geht – schon allein aufgrund der Länge sichere Verhältnisse erfordert. Da wir am kürzesten Tag des Jahres unterwegs sind, ist früher Aufbruch Pflicht.

Mit dem ersten Bus fahren wir nach Gries zum Parkplatz. Dort angekommen, fellen wir schnell an und beginnen den Anstieg in Richtung Amberger Hütte. Die Strecke ist mir von meiner Tour auf die Wilde Leck im Herbst noch bestens bekannt und so freue ich mich, das schöne Sulztal jetzt auch verschneit zu erleben. Nach etwas mehr als anderthalb Stunden erreichen wir die Amberger Hütte, zu welcher zwar nur 550hm, aber auch 6km Strecke zurückzulegen sind. Auf der Rodelbahn geht es für uns aber zügig dahin und hinter der Hütte öffnet sich das winterliche Sulztal mit Blick auf Schrankogel, Windacher Daunkogel und die Daunköpfe.

Jana auf den ersten Metern der Rodelbahn
Der Wald lichtet sich und auf bester Spur geht es in Richtung Amberger Hütte
In fast ebenem Gelände versuchen wir gut Tempo zu machen

Wir machen eine kurze Pause und essen einen Happen, als gerade die ersten Sonnenstrahlen in das weiß glitzernde Tal fallen. Was ein traumhafter Ort! Wir stellen fest, dass sich außer uns keine Menschenseele heute hier her „verirrt“ hat und so wissen wir, dass wir zwar die Spurarbeit selbst leisten müssen, dafür aber uns auch niemand die Hänge verspuren kann.

Die noch geschlossene Amberger Hütte

Nach ein paar Schlücken Tee und einem halben Riegel fühlen wir uns gestärkt, um den zweiten und wesentlich längeren Teil der Tour anzugehen. Nach der Amberger Hütte folgen wir zunächst einer Spur in Richtung Roter Kogel. So sparen wir uns ein paar Meter „Talhatscher“ und können gleich über die ostseitig exponierten Hänge durch ein paar Felsen hindurch aufsteigen.

Im Hochwinter ist das Sulztal ein wirklicher Eisschrank
Wir verlassen den Talboden und steigen langsam über die nordostseitig geneigten Hänge auf

Nach kurzer Zeit erreichen wir das Hochtal, welches in Richtung Westen zur Kuhscheibe führt. Wir verlassen die Spur und spuren quer hinüber zur eigentlichen Anstiegsroute zur Kuhscheibe, welche ziemlich genau am tiefsten Punkt im Tal verläuft. Ohne Spur orientiere ich mich per GPS grob am Sommerweg und so geht es für uns eine Kuppe nach der anderen immer weiter nach oben.

Wärmende Sonnenstrahlen begleiten unseren Aufstieg
Am Ende des Hochtals vor dem letzten Steilaufschwung (nach links hinten) in Richtung Kuhscheibe

Zuletzt pausieren wir nochmal kurz an einem flachen Platz, wo die Sonne ein wenig unsere kalten Gesichter wärmt, denn in der Folge geht es nordseitig exponiert, steiler und folglich ohne Sonne weiter in Richtung Gipfelaufbau. Die ersten Hänge beurteilen wir sehr kritisch, da die LWS erst kürzlich auf „2“ zurückgegangen ist und wir aufgrund des Altschneeproblems, welches genau in dieser Lage (nordseitig exponiert, oberhalb 2500m) sicher noch präsent ist, hier sehr defensiv unterwegs sein möchten. Mit viel Bedacht lege ich die Spur in den etwas über 30° steilen Hang und mit Entlastungsabstand folgt Jana hinter mir hinauf. Mittlerweile haben wir den letzten Aufschwung vor dem Gipfelaufbau erreicht und queren einen kleinen Gletscherrest, bevor es nach einer weiteren Kehre nach rechts in Richtung Skidepot geht. Ein ganz leicht sichtbarer Rest einer Spur ist vorhanden und so wissen wir, dass wir nicht die ersten Tourengänger an der Kuhscheibe in dieser Saison sind. Mehr als zwei Skitourengänger dürften es aber nicht gewesen sein.

Kurz oberhalb des Skidepots am Grat

Am Skidepot sind wir zunächst froh, dass die Sonne uns ein wenig erwärmt. Es eröffnet sich ein tolles Panorama in die Ötztaler Alpen und wir dürfen nicht vergessen, dass es vom Grat auf der anderen Seite fast senkrecht nach unten geht. Viel „Betrieb“ sollte hier jedenfalls nicht sein, wenn man am Skidepot nichts riskieren will. Die Ski stecken im Schnee als wir uns dann an die finalen Meter in leichter Kletterei machen. Durch den schon ein bisschen gesetzten Schnee finden wir in den Felsen gut Halt und kommen die wenigen Klettermeter auch ohne Steigeisen gut bis auf den Gipfel. Nach knapp 100 Höhenmetern stehen wir auf dem engen Gipfel, der mit einem tollen Gipfelkreuz veredelt wird. Wir genießen einen tollen Rundumblick in die Stubaier Alpen. Auf der gegenüberliegenden Talseite geht das Panorama vom Schrankogel zur Ruderhofspitze und weiter über Wilder Freiger, Wilder Pfaff, Zuckerhütl bis zur Stubaier Wildspitze. Im Vordergrund dominiert die Wilde Leck das Bild – ein toller Kletterberg!

In steilem Gelände geht es die letzten Meter hinauf, wo nochmal ein paar Felsen zum Kraxeln warten

Wir genießen nach dem doch fast fünfstündigen Anstieg mit 1650hm und 13km Distanz für ein paar Minuten die tolle Stimmung in der absoluten Einsamkeit. Weder auf dem Anstiegsweg noch jetzt konnten wir auch nur einen einzigen Menschen erblicken! Auch ein paar Schlücke warmer Tee und ein Riegel geben wieder die nötige Energie für die bevorstehende Abfahrt.

Der Berg gehörte an diesem Tag ganz uns allein
Wilde Leck und rechts die Atterkarspitzen
Ötztaler Alpen und ganz am Horizont die Lechtaler
Blick Richtung Ötztaler Hauptkamm

Nach vielen Fotos machen wir uns auf den Rückweg zum Skidepot, wo wir nach kurzer Zeit ankommen. Jetzt heißt es volle Konzentration, denn auf dem sehr schmalen Grat die Ski anzuziehen, ohne dass eine der Latten sich selbstständig auf den Weg ins Tal macht, gleicht einem Drahtseilakt. Einzeln und nacheinander betreten wir den ausgemachten Startpunkt, von dem das Gelände direkt über 30° steil abfällt. Ich ziehe meine Ski einzeln an, indem ich sie festhalte während die Pins in den Schuhen verschwinden. Nachdem beide Ski an den Füßen sind, springe ich in den Hang und warte ein paar Meter weiter unten bis Jana das gleiche Manöver vollzogen hat.

Am schmalen Grat müssen die Ski angezogen werden, bevor man in den ersten Steilhang einfährt

Aufgrund der Steilheit dieses Schattenhangs (Exposition Nord) befahren wir den Hang einzeln. Was für ein unerwartetes Skivergnügen! Auf über 3000m hat sich nordseitig guter Pulver gehalten und so schwingen wir den ganzen ersten Abschnitt ansatzlos hinunter. Weiter unten heißt es jetzt „obacht“ geben, denn hier und da sind Felsen nur von schwachem Triebschnee überdeckt. Ohne allzu großen „Feindkontakt“ bahnen wir uns den Weg nach unten und stehen schon bald am letzten Hang hinunter ins Sulztal. Jetzt haben wir unsere Anstiegsroute verlassen und suchen die Linie mit dem besten Schnee. Die zwei Tourengänger, welche am Tag zuvor unterwegs waren, sind aus unserer Sicht zu weit links eingefahren und in eine unangenehme Steilstufe gekommen. Auch wenn es verlockend ist, da man sich so ein paar Meter schieben spart, man sollte sich am letzten Hang tendenziell rechts orientieren und bei kritischer Lawinenlage die steileren Rinnen in Bezug auf Triebschneepakete scharf anschauen. Für uns war an diesem Tag der Triebschnee nicht zu kritisch und in den Rinnen fährt es sich natürlich besser als auf abgefegten Rücken.

Abfahrtsspaß im schattigen Nordhang im oberen Teil des Bergs

Unten im Tal angekommen, schieben wir ein paar Meter bis zur Amberger Hütte, wo wir auf eine frisch präparierte Rodelbahn stoßen – die Amberger Hütte startet nach Weihnachten in die Wintersaison. So sind die restlichen 6km entspanntes Ausgleiten und wir passieren ein paar Rodler, die sichtlich Schwungprobleme haben und unsere Sportgeräte neidisch anschauen. Wieder einmal zeigt sich: im Winter gibt es kein besseres Fortbewegungsmittel als Tourenski! Da können weder Schneeschuhe noch Rodel mithalten.

Mit tiefstehender Nachmittagssonne erreichen wir den Parkplatz in Gries, wo wir noch ein paar Minuten warten, bis uns der Bus zurück ins Ötztal bringt. Eine tolle, lange Tour am kürzesten Tag des Jahres.


Fazit

Die Kuhscheibe ist eine lange und anspruchsvolle Skitour. Wer den Gipfel vom Tal aus ohne Übernachtung auf der Amberger Hütte besteigen will, der sollte ausreichend Zeit einplanen. Bei unsicherer Lawinenlage müssen einige Hänge sehr kritisch beurteilt werden, denn vor allem zu Beginn des Winters gibt es hier häufig Probleme mit Schwachschichten durch Altschnee und fehlende Sonne. Generell ist der kürzeste Tag des Jahres sicher keine Orientierungshilfe für die Tourenplanung – im Februar oder März ist die Tour dagegen ein Klassiker in den Stubaier Alpen. Am Skidepot muss man sehr umsichtig sein, damit kein Ski oder Stock den Berg hinunter fällt. Auf der Westseite des Grats geht es 500m fast senkrecht nach unten.

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