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HOCH TIROL 3/6: GROẞVENEDIGER (3662m)

Dritter Tag der Hochtirol mit dem langen Weg auf den Gipfel der „Weltalten Majestät“.

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Tag drei auf der Hoch Tirol beginnt mit einem leckeren Frühstück auf der Johannishütte und einem Blick vor die Hütte, der verrät: heut wird ein klarer, aber auch ein kalter Tag werden. Um 7:30 Uhr stehen wir auf Ski und schon ein paar Meter hinter der Hütte montieren wir die Harscheisen an unsere Bindungen, denn die ersten Hänge in Richtung Defreggerhaus sind aufgrund der klaren Nacht sehr hart.

Die Windfahnen versprechen einen kalten Tag beim Start an der Johannishütte (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Das Tagesziel ist schon zu sehen, zunächst geht es aber rechts hinauf in Richtung Defreggerhaus

Etwas unübersichtlich ist der Routenverlauf, denn aufgrund des wenigen Schnees müssen wir ein paar Mal ausweichen, um möglichst ohne größere Tragepassagen den Einstieg in Richtung des Tals zu finden, welches die ersten 800 hm zum Defreggerhaus hinauf zieht. Dieses ist im Winter nicht bewirtschaftet und so brauchen wir keine Hoffnung für eine Stärkung unterwegs zu haben. Direkt unterhalb der Hütte queren wir einen steilen Südhang, welcher sicher im Laufe des Tages stark aufweichen wird – hier sind wir ganz froh, dass am Morgen noch alles fest ist.

Phasenweise geht ohne Harscheisen an diesem Morgen nichts (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
In der Sonne ist es etwas wärmer, aber mit zunehmender Höhe nimmt der Wind zu (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Eine etwas steilere Querung – hier sind Sicherheitsabstände ratsam (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Das geschlossene Defreggerhaus ist in Sicht (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Wir kommen in den Genuss einer breiten Spur und so geht es ohne Schwierigkeiten bis unter das Defreggerhaus, welches wir nach exakt zwei Stunden ab der Johannishütte erreichen. Mittlerweile ist der Wind stark und eisig kalt und so sind wir ganz froh, dass wir an der Hütte auf der Terrasse im Windschatten eine kurze Pause machen können, Verpflegung aus unseren Rucksäcken inklusive.

Die nächsten Höhenmeter geht es kurz noch aufwärts, bevor wir dann das „Mullwitzaderl“ überqueren und in Richtung Inneres Mullwitzkees (Rainerkees) absteigen. Wir tragen die Ski schnell über eine harte Passage mit Harsch und Felsen und erreichen den Beginn des Gletschers. Eine markante Hinweistafel weist auf die Spaltensituation hin und so sollte es klar sein, dass am Rainerkees im Aufstieg das Seil Pflicht ist. Ein Service, den ich von den Hochtouren in den Westalpen so eher nicht gewohnt bin.

Die letzten Meter hinunter zum Rainerkees, hinten Großvenediger und rechts das Rainerhorn (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Sehr kalt ist es, dicke Handschuhe sind an diesem Tag auch im Aufstieg kein Luxus

Mittlerweile habe ich das Gesicht mit Buff vermummt und die dicken Handschuhe angezogen, denn durch den Wind ist die Temperatur unangenehm niedrig. Sicher ist dieser Tag die kälteste Skitour des Winters 2021/2022 für mich, denn selbst Thomas (der normalerweise weniger kälteempfindlich ist), trägt viele Schichten und dicke Handschuhe.

Angeseilt geht es los über das Rainerkees (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Am Seil geht es dann über den stark windbearbeiteten Gletscher quer hinüber in Richtung Rainertörl (3406 m). Auf dem Weg passieren wir einige eindrückliche Spalten und Löcher, die erahnen lassen, was sich da – vom doch eher wenigen Schnee notdürftig bedeckt – unter uns befindet. Hier ist natürlich ein gutes Zeitmanagement entscheidend und glücklicherweise ist um 11 Uhr morgens der Deckel noch hart gefroren und wir verlieren keine Zeit, das Rainertörl zu erreichen.

Riesige Windgangeln machen das Vorankommen unangenehm (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Die letzten Meter zum Gipfelaufbau sind dann wieder etwas einfacher zu gehen (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Dort angekommen, können wir den Gipfelaufbau schon ausmachen. Unter uns sind jetzt deutlich weniger Spalten, dafür hat der Wind ganze Arbeit geleistet: Esstisch-große Windgangeln, die pickelhart gefroren sind, verlangen unseren Ski, Fellen und Knien alles ab. Ob das eine spaßige Abfahrt werden wird? Wir sind noch skeptisch, denn überall dort, wo der Wind stark weht, wird es auch nicht auffirnen.

Wie immer in dieser Woche: das Panorama ist atemberaubend (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Was für eine Szene: Toni und ich auf den letzten Metern zum Skidepot (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

„Just worry in time“ ist das Motto und so steigen wir dem letzten Gipfelgrat zu, wo wir bereits das Skidepot ausmachen können. Als erste Partie von der Johannishütte platzieren wir die Ski am Grat und machen uns um 12:30 Uhr auf den Weg zum Gipfel. Zuletzt ein wenig ausgesetzt und mit Steigeisen, geht es dem Gipfelkreuz zu, welches schon von Weitem sichtbar ist. Da wir sehr gut in der Zeit liegen, haben wir die Möglichkeit, einige Sequenzen zu fotografieren und so laufen Toni und ich den Gipfelgrat gleich drei Mal. Weit und breit noch keine Spur einer anderen Seilschaft und so können wir am Gipfel das gewaltige Panorama in alle Richtungen genießen.

Die letzten Meter sind mit Steigeisen unschwierig zu gehen (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Rückblick auf Großer Geiger (vorne) und die Malhamspitzen (links)

Der Großvenediger ist definitiv ein bekannter und prestigeträchtiger Gipfel und ich empfehle dringend, ihn im Winter zu besteigen. Zu Fuß ist der Weg zurück ins Tal doch recht weit – und man kann nur wenige Meter neben dem Gipfelkreuz die Ski deponieren und so freuen wir uns schon auf eine rassige, lange Abfahrt.

Der weitere Weg der Hoch Tirol bis zum Großglockner (rechts am Horizont)
Abklatschen am dritten Gipfel der Hoch Tirol: dem Großvenediger (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Thomas und ich am Gipfelkreuz (Foto: Toni Riepler)
Überraschend windstill und geradezu warm: unser Platz am Skidepot (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Zunächst machen wir noch eine Mittagspause am Skidepot, wo – überraschenderweise – der Wind nicht stark weht und wir so ein bisschen aufwärmen. Um 13:30 Uhr schnallen wir die Ski an und beginnen die lange Abfahrt vom Gipfel bis zum Matreier Tauernhaus (1511 m).

Die rassige Abfahrt vom Großvenediger in Richtung Venedigerscharte (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Die ersten Meter sind geprägt von vorsichtigem Fahren auf den harten Windgangeln. Mehrfach habe ich wirklich Angst um meine Ski, wenn ich über eine harte Kante fahre. Glücklicherweise hält das Material und wir orientieren uns gleich nach links in Richtung Venedigerscharte (3387 m). Auf dem Schlattenkees ist es enorm wichtig, sich immer orthografisch links zu halten, denn in Falllinie warten gefährliche Spaltenbrüche, die es unbedingt zu vermeiden gilt. Wir halten uns ganz links und finden tatsächlich den ersten Hang, in dem der Wind den Schnee nicht so sehr verfestigt hat. Wir schwingen begeistert hinunter und schon bald kommt die Neue Prager Hütte (2782 m) ins Blickfeld, auf die wir geradewegs zuhalten.

So langsam weicht der Presspulver auf und wir können ein paar tolle Schwünge genießen (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Wieder schweift der Blick in Richtung Großglockner, dieser ist aber noch drei Tagesetappen entfernt (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Mit jedem Höhenmeter, den wir tiefer kommen, steigen die Temperaturen und auch die Schneequalität nimmt enorm schnell zu. Schon bald fahren wir zunächst über schöne Firnhänge und zuletzt sogar nordseitig über traumhaft gut konservierten Pulver unterhalb der Alten Prager Hütte hinunter ab. Einige tolle Abfahrtsbilder entstehen außerdem und wir sind glücklich, endlich die erhofften Schwünge in gutem Schnee machen zu können.

Einige spektakuläre Abfahrtsaufnahmen können wir auch machen (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Die tollen Hänge hinunter ins Innergschlöß (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Viel zu schnell sind wir abgefahren und so sind wir schon bald im Talboden von Innergschlöß angekommen. Um 14:30 Uhr skaten wir hinaus in den „schönsten Talschluss der Ostalpen“ – diese Einschätzung können wir an diesem Traumtag ohne ein Wolke am Himmel definitiv bestätigen.

Ein paar Kilometer geht es flach hinaus durchs Tal in Richtung Tauernhaus (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Rückblick zum Gipfel des Großvenedigers mit der gewaltigen Abfahrt (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Das Innergschlöß (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Ab hier ist vor allem Geduld und etwas Armkraft gefragt, denn ein paar Kilometer gilt es nun mit Stockschub zurückzulegen, bevor wir in Außergschlöß ankommen und folgend wieder steiler abwärts die Ski bis zum Matreier Tauernhaus laufen lassen können. Dort angekommen, bestellen wir gleich drei Knödel in der Speckknödelsuppe und genießen den restlichen Nachmittag bei alkoholfreiem Bier im gemütlichen Tauernhaus.


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Fazit

Die dritte Etappe der Hoch Tirol führt erstmalig über die 3500 m-Marke hinaus und hat mit dem Großvenediger die „weltalte Majestät“ als Highlight auf dem Programm. Der Gipfel ist ein Traum von Skiberg, denn man kann ihn quasi komplett abfahren – das meist sogar in tollem Skigelände. Die gesamte Tour ist geprägt von spektakulärer Aussicht und hochalpinem Flair – über 2200 hm Abfahrt bilden dann das Highlight.


Facts zur Tour

  • Mühen: Langer Anstieg auf den Großvenediger, evtl. lange Schiebepassage bis Innergschlöß (je nach Schneebeschaffenheit)
  • Freuden: Spektakuläre Abfahrt vom Gipfel bis ins Innergschlöß
  • Risiken: Rainerkees und Schlattenkees sehr spaltig, auf der Abfahrt unbedingt Richtung Venedigerscharte und dann Neue Prager Hütte halten
  • Aufstieg: 1650 hm / ca. 5:30 h
  • Abstieg: 2260 hm / ca. 2:00 h
  • Exposition: West, Süd, Ost
  • Schwierigkeit: WS+
  • Charakter der Tour: Skihochtour mit Gletscherkontakt
  • Equipment: Skitourenausrüstung, Gletscherausrüstung, Seil
  • Beste Jahreszeit: März-Anfang Mai

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