Erste Etappe und landschaftlich grandioser Auftakt in die „Hoch Tirol“
Endlich ist es soweit! Für meinen Freund Thomas und mich steht eines meiner zwei großen Projekte im Winter 2021/2022 an: die „Hoch Tirol“. Bereits einige Monate im Voraus hatten wir die Tour geplant und auch die Hütten reserviert. Im Auftrag des Tourismusverbands Osttirol sollen wir diesen Skitourenklassiker der Ostalpen fotografisch, videografisch und in Form von Texten neu aufarbeiten.
Die Hoch Tirol führt auf ihrer klassischen Route von Kasern im Ahrntal (Südtirol) über Großer Geiger, Großvenediger, die Granatspitzgruppe bis auf den Großglockner an der Grenze zwischen Osttirol und Kärnten. Insgesamt sind etwa 100 km und 10.000 hm im Aufstieg zu bewältigen und die Route erfordert hohes alpinistisches Können und absolut sichere Verhältnisse.
Anhand dieser einleitenden Worte wird deutlich, wie viel Glück man haben muss, um diese Route nicht nur erfolgreich zu begehen, sondern auch dabei noch dokumentarisch derart festzuhalten, dass diese Inhalte für Werbezwecke verwendet werden können. Um die Sicherheit dieses Projekts zu erhöhen, stellt uns der Tourismusverband mit Anton „Toni“ Riepler nicht nur einen Bergführer, sondern ein echtes Osttiroler Original an die Seite. Toni ist Hüttenwirt der Adlersruhe (Erzherzog-Johann-Hütte) und selbst aktiver Bergführer und auch eine Bekanntheit in den Tälern um Kals, Matrei und Prägraten. Somit können Thomas und ich uns voll auf unseren Auftrag konzentrieren und Toni kümmert sich um die Sicherheit am Berg.
Los geht es für mich am Tag vor dem ersten Tourentag morgens um 8:14 Uhr im ICE in Richtung München. Über die bayerische Landeshauptstadt fahre ich mit Sack und Pack bis nach Wörgl, wo Thomas mich mit dem Auto am Bahnhof abholt. Wir fahren weiter über Kitzbühel und Mittersill durch den Felbertauerntunnel nach Osttirol. Unterwegs passieren wir das Matreier Tauernhaus, wo wir nach drei Tagen ankommen werden und deponieren einige Wechselklamotten und Essen dort.
Für Anfang März sind die Temperaturen durchschnittlich – jedoch die Schneelage ist wie den gesamten Winter schon wenig üppig. So hat es auch auf der Alpensüdseite in Osttirol für die Jahreszeit extrem wenig Schnee. Das macht unser Unterfangen nicht unbedingt leichter. Dafür hat sich in den letzten zwei Wochen nach den letzten Neuschneefällen Ende Februar die Lawinenlage derart gut entwickelt, dass flächendeckend Warnstufe 1 gilt als wir starten. Dies reduziert das Risiko zwar nicht gänzlich, wir können aber ein wenig entspannter den genauen Routenverlauf planen. Aktuell sieht der Wetterbericht noch eine kleine Störung für Mitte der Woche vor, aber darum kümmern wir uns zunächst noch nicht. Die ersten drei Tage auf der Hoch Tirol werden hervorragendes Wetter sein – lediglich wird es in der Höhe empfindlich kalt werden.
In Osttirol angekommen, treffen wir uns mit Toni und schon ist Spontanität gefragt: Toni schlägt eine erste Modifikation der eigentlichen Route vor, denn aufgrund der günstigen Lawinenverhältnisse wäre eine Option, statt von Südtirol, direkt in Osttirol zu starten und über die Mittlere Malhamspitze (3364 m) dann wieder auf die Originalroute zu gelangen. Nach kurzer Rücksprache im Team stimmen wir überein, dass ein zusätzlicher Gipfel sicher schön wäre und wir so eine Variante (die wir später „Hoch Tirol Plus“ nannten) gehen könnten, die bisher nicht beschrieben ist. Was wir nicht so sehr thematisieren: statt 1700 hm Aufstieg am ersten Tag werden nun 2430 hm anstehen. Kurzerhand wird der Plan also geändert und wir checken um 17 Uhr im Gasthof Islitzer in Hinterbichl im hinteren Virgental ein, wo wir die Kohlehydrat-Speicher gemütlich auffüllen.
Thomas und ich sind so leicht und reduziert wie möglich unterwegs. Neben der Skitourenausrüstung ist auf dieser Tour auch eine komplette Gletscher- / Hochtourenausrüstung nötig und wir sind auch gegen die zu erwartende Kälte gewappnet. Für Luxusgegenstände bleibt nicht viel Platz im Rucksack – mein Luxusteil sind allerdings definitiv die Biwakschuhe, die für warme Füße am Abend auf der Hütte sorgen. Lediglich das Seil müssen wir nicht selbst tragen – das übernimmt Toni freundlicherweise für uns.
Am nächsten Morgen stehen wir bereits um 7 Uhr am Parkplatz in Ströden, von dem wir unsere leicht modifizierte Hoch Tirol starten. Wir sind in jeglicher Hinsicht vorbereitet – körperlich fit und gesund, keine Ausrüstung vergessen, ausgeschlafen und gestärkt. Doch lediglich ein wesentliches Detail ist nicht ausreichend vorhanden: Schnee. So starten wir zwar zunächst auf der Forststraße in das Maurertal hinein – mit den Ski an den Füßen – jedoch dauert es nicht lang, bis wir bereits die erste Tragepassage erreichen, da der Schnee doch recht spärlich ist.
Nach 150 hm erreichen wir die Talstation der Materialseilbahn zur Essener-Rostocker-Hütte und auch der lichter werdende Wald, gibt bereits den Blick auf die Hütte – unser heutiges Ziel – frei. Doch gehen wir nicht den direkten Weg durch das Maurertal hinauf, sondern werden unterwegs noch einen „kleinen“ Umweg machen.
Nach ca. 75 min und 500 hm erreichen wir die Einmündung des Malhambachs, wo wir die Talseite wechseln und fortan in Richtung Malhamkees den ostseitig exponierten Hang aufsteigen. Das Terrain ist nicht ganz einfach zu gehen, denn ohne Harscheisen ist sicheres Anstehen gefragt, doch auch mit Harscheisen rutscht man durch den Lockerschnee auf harter Unterlage immer wieder leicht ab. Thomas und ich entscheiden uns, die Eisen noch im Rucksack zu lassen – Toni wählt die bequeme Variante.
Wir bahnen uns, anfangs noch zwischen diversen Strauchgewächsen, den Weg hinauf, bis sich auf 2200 m das Gelände deutlich zurücklegt und den Blick in ein wunderschönes und naturbelassenes Hochtal freigibt. Das tolle Morgenlicht gibt Thomas viele gute Szenen, die er fotografieren kann. Toni und ich fungieren dabei als die Darsteller und ganz langsam wächst bei uns die Routine, wie wir uns am besten positionieren, um Thomas die Arbeit leicht zu machen.
Am Ende des Hochtals geht es eine kleine Steilstufe hinauf, welche uns schnell Höhenmeter machen lässt. Trotz vieler Fotos erreichen wir nach nicht ganz vier Stunden und 1500 hm die unteren Ausläufer des Malhamkees. Dort angekommen, ist das Gelände gut einsehbar. Wir entscheiden uns, das Seil noch im Rucksack zu lassen, da das Malhamkees sehr spaltenarm und damit eher „harmlos“ ist.
Die unterschiedlichen Temperaturzonen werden jetzt deutlich. War Thomas im unteren Bereich des langen Aufstiegs noch im T-Shirt unterwegs, so ziehen wir nach und nach jetzt unsere Schichten – selbst im Aufstieg an. Bei mir sind am Ende sogar die dicken Handschuhe nötig, denn der Wind lässt uns recht schnell frieren. Kurz vor 13:00 Uhr erreichen wir das Ende des Gletschers und überwinden die Scharte zwischen Südlicher und Mittlerer Malhamspitze. Von hier sind es noch wenige Meter, bis wir unsere Ski deponieren und anschließend den restlichen Aufstieg zu Fuß fortsetzen.
60 Höhenmeter sind noch zu bewältigen und befinden wir uns zwar „nur“ auf 3300 m, so merke ich nun aber doch ein wenig die fehlende Akklimatisierung. Nach wenigen Minuten im Gehgelände mit ein paar Kraxelstellen, treffen wir uns auf dem aussichtsreichen Gipfel der Mittleren Malhamspitze. Toni hat nicht zu viel versprochen – die Aussicht ist gigantisch. Der Blickfang ist sicherlich die Dreiherrnspitze, doch auch in Richtung unserer Route können wir die markantesten Gipfel jetzt schon gut einsehen. Der Weg zum Großglockner erscheint uns an diesem Tag extrem weit, was er von diesem Punkt ja letztendlich auch ist. Toll ist auch die Aussicht in Richtung Dolomiten und in die Zillertaler Alpen.
Wir genießen ein paar Minuten die phänomenale Aussicht und machen uns dann an den kurzen Abstieg zurück zu unseren Ski. Diese stehen in der Scharte schon bereit und warten darauf, von uns gefahren zu werden. Die erste Abfahrt der Hoch Tirol hält gleich einen schön geneigten Gletscherhang bereit und Thomas und ich hoffen, dass Toni mit seiner Prognose („Traumpulver“) Recht behalten sollte und wir belohnt werden für die vielen Höhenmeter, die wir zuvor im Aufstieg bewältigt haben – immerhin rund 2000 hm sind wir bereits aufgestiegen.
Wir setzen die ersten Schwünge in den Hang und schon bald fliegen wir in bestem Schnee hinunter in Richtung Umbalkees. Hält man sich weit genug links, findet man hier durch die westseitige Exposition auch am frühen Nachmittag noch tollen Schnee. Weiter rechts schaut aufgrund des Schneemangels das Blankeis heraus, davon halten wir uns fern. Wir fahren bis auf unter 2700 m ab und fellen am Gletscher wieder an. Da das Umbalkees durchaus einige Spalten bereit hält und die Uhr schon fast 15 Uhr am Nachmittag zeigt, kommt auch das Seil erstmalig zum Einsatz. Wir steigen in Richtung Reggentörl auf und durchbrechen die 2400 m-Marke kurz unter der Scharte. Glücklicherweise ist es Anfang März noch nicht zu heiß und so leiden wir ob dieses letzten Anstieg des Tages nicht allzu sehr. Auf 3047 m und nach rund 400 Höhenmetern Anstieg fellen wir abermals ab und klatschen uns ab.
Ein paar Fotos später, geht es dann gegen 16 Uhr zügig hinunter auf dem Simonykees. Die Sonne ist bereits wieder verschwunden und nach nur 15 min erreichen wir die Talsohle, von wo wir noch ein paar Meter zu Fuß zur Essener-Rostocker-Hütte laufen.
Dort angekommen, empfangen uns Essen und Getränke, denn nach dieser ersten recht langen Etappe müssen die Speicher aufgefüllt werden. Noch fünf Etappen zu gehen!
Die weiteren Artikel zur Hoch Tirol
Diese werden nach und nach veröffentlicht und sind dann über diese Links zugänglich
Fazit
Die Mittlere Malhamspitze ist eine lohnenswerte, aber auch lange Skihochtour von Ströden. Der Übergang via Umbalkees und Reggentörl zur Essener-Rockstocker-Hütte ist eine schöne Variante, um die Hoch Tirol gleich zu Beginn konditionell fordernd zu gestalten. Durch den Start im Virgental kann man außerdem logistisch einfacher in Osttirol starten. Für die Tour müssen Wetter und Verhältnisse sehr gut sein.