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DUFOURSPITZE (4634m) UND NORDEND (4608m)

Eine Traumtour auf die höchsten Gipfel der Schweiz.

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Sehr lange waren diese beiden Berge ein absoluter Traum und ein großer Punkt auf der „To Do Liste“. Mehrere Male hatten Jana und ich bereits eine Besteigung geplant, mussten aber mehrfach das Vorhaben verschieben, da entweder Wetter, Verhältnisse oder Zeit nicht gepasst hatten. Ob im Sommer oder Frühjahr – für uns war klar, wenn wir den weiten Weg ins Monte Rosa Massiv machen, dann sollte es sich auch lohnen.

Nachdem wir die Pläne für unsere Hochtourenwoche wetterbedingt leicht modifiziert hatten, zogen wir diese Tour gegenüber dem ursprünglichen Plan um zwei Tage vor, um einen stabilen Tag ohne zu viel Wind und mit wenig Gewitterrisiko als Gipfeltag zu nutzen. Akklimatisiert hatten wir uns bereits auf der halben Breithorn-Traverse und auch am Tag vor dem Hüttenzustieg verbrachten wir nochmals Zeit in der Höhe auf dem Oberrothorn.

Aus den sozialen Medien hatten wir einige gute Fotos der Verhältnisse und waren uns sicher, dass nicht nur die Dufourspitze via Westgrat, sondern auch das insgesamt schwerer zu erreichende Nordend machbar sein könnte. Dieses wurde im Frühjahr ganze sechs Mal begangen, denn ein riesiger Bergschrund auf der gesamten Breite des Gletschers war unpassierbar. Der viele Schnee im Mai und einiges an Wind sorgten dafür, dass dieser wieder etwas „aufgefüllt“ wurde und so gab es im Frühsommer 2023 wieder eine passierbare Route. Doch nicht nur dieses Hindernis war in den vergangenen Jahren ein Problem. Meist gab es im Hochsommer durch große Hitze schnell Blankeis am Gipfelgrat, weshalb Eisschrauben öfter zum Einsatz kommen mussten. Auf einen Balanceakt auf den Frontalzacken der Steigeisen wollten wir uns nicht per se einstellen und so war die Entscheidung bezüglich einer passenden Tour klar: die außergewöhnlich günstigen Verhältnisse am Nordend nutzen!

Start an der Bahnstation Rotenboden der Gornergrat Bahn
Die angestrebten Gipfelziele – hier noch sehr weit entfernt
Blick zum Breithorn – die schöne Traverse hatten wir zwei Tage zuvor gemacht

Thomas hatte sich uns am Vorabend am Camping in Randa angeschlossen und so waren wir als Dreierseilschaft startklar für eine große Tour in großer Höhe. Da wir bereits die Tage zuvor einige Höhenmeter gemacht hatten, verzichten Jana und ich auf den Zustieg „by fair means“ und nehmen die Gornergrat Bahn zur Station Rotenboden. Thomas hingegen startet mit leichtem Rucksack im Dorf in Zermatt und läuft zum Rotenboden, während wir die aussichtsreiche Bahnfahrt genießen. Thomas‘ Rucksack deponiere ich hinter einem Felsen und so sind Jana und ich schon bald auf dem landschaftlich traumhaften Weg vom Rotenboden in Richtung Gornergletscher. Dieser ist uns bestens bekannt und gemütlich spazieren wir mit Blick auf unser morgiges Ziel dahin. Diesmal probieren wir den „alten Weg“ aus, welcher im Gegensatz zum neuen Weg nicht hoch angelegt am Hang entlang führt, sondern durch ein paar Leitern versichert in den Felsen hinunter zum Gletscher leitet.

Notwendig, um den Gletscherbach zu überqueren: diese Brücke. Im Hintergrund: das Monte Rosa Massiv mit mehr als 2000 Metern Höhendifferenz
Hier sollte man besser kein Bad nehmen

Ob diese Variante zeitlich schneller ist? Wir sind uns auch nach der Begehung beider Wege nicht sicher. Unten am Gletscher ziehen wir kurz die Steigeisen an, können diese jedoch nach fünf Minuten bereits wieder ablegen und turnen durchs Blockgelände weiter in Richtung des frei liegenden Teils des Gornergletschers. Im Prinzip bewegt man sich permanent auf dem Gletscher, doch durch das viele Geröll ist teilweise nichts vom Eis zu sehen.

Auf dem schuttbedeckten Gletscher geht es durchs Geröll

Wir arbeiten uns etwas mühsam voran, bevor wir dann zuletzt den Gletscher verlassen und uns auf einem bequemen Weg der wunderschön gelegenen Neuen Monte Rosa Hütte nähern.

Majestätisch thront die Monte Rosa Hütte zwischen riesigen Gletschern

Hier hatten wir bereits zwei Jahre zuvor eine kleine Pause eingelegt, auf unserem Rückweg von der Spaghetti-Tour nach Zermatt und so wussten wir bereits um die erstklassige Bewirtung. Das Bauwerk der Monte Rosa Hütte ist faszinierend und wir erkunden interessiert auch das Innere der Hütte, welches architektonisch ansprechend gestaltet ist. Viel Licht, viel Glas und helles Holz sorgen für eine gemütliche und moderne Atmosphäre.

Nach einer guten Stunde trifft auch Thomas ein, der somit den Zustieg „by fair means“ gemacht hat. Wir genießen ein sehr gutes Abendessen und gönnen uns ausgiebig Nachschlag, bevor dann um kurz nach 20 Uhr bereits das Bett ruft.

Die Nacht ist kurz, denn um zwei Uhr sitzen wir bereits wieder im Gastraum und mühen uns ein Frühstück hinunter. Einmal mehr zählt der Grundsatz „der Alpinist schläft nicht, er ruht nur“, wenn auch auf dieser Hütte im erstklassigen Duvet.

2:56 Uhr starten wir die Tracks vor der Hütte und machen uns auf den Zustieg in Richtung Obere Plattje. Wissend, dass wir einen sehr langen Tag vor uns haben, wähle ich das Tempo für unsere Verhältnisse recht langsam. „In den Rhythmus finden“ ist die Devise und das klappt erfahrungsgemäß deutlich besser, wenn man langsam geht. Die Orientierung fällt dank einiger Steinmänner und reflektierender Markierungsstangen auch nachts nicht schwer und im Schein der Stirnlampe erreichen wir nach einer starken Stunde den Beginn des Gletschers auf 3300 m. Dort haben sich schon viele Seilschaften versammelt, die offenbar eine erste längere Pause machen.

Wir sind flott auf Steigeisen gewechselt und steigen auf dem ersten, aperen Teil des Gletschers noch ohne Seil auf. Nach kurzer Zeit folgt dann eine Firnauflage und wir seilen an. Die folgenden Spaltenzonen sind in der Dunkelheit überraschend gut zu passieren und alles ist hervorragend gefroren. Überraschend unfreundlich begegnet mir ein russischer Seilschaftsführer, der uns trotz deutlich höherem Tempo partout nicht passieren lassen möchte. Ich lasse ihn reden und suche uns einen alternativen Weg, denn an so einem Tag verschwende ich keinen unnötigen Atemzug für eine Diskussion.

In der Morgendämmerung fällt das Thermometer unter null Grad (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Goldene Stunde am Breithorn

Schon bald beginnt die Morgendämmerung und wir steigen einen langen Firnhang nach dem anderen auf dem Monte Rosagletscher auf. Warum diese Tour eine beliebte Skitour ist? Hier wäre dann der Beweis erbracht – das Gelände lädt geradezu zum Skifahren ein. Auf der Karte und in der Draufsicht wirkt das Gelände nicht so weitläufig, doch die Höhenunterschiede sind enorm. Vom Einstieg in den Gletscher bis zum „Sattel“ auf 4356 m sind über 1000 Höhenmeter zu bewältigen. Punkt 6 Uhr erwacht der Tag und das Breithorn wird in goldenes Licht getaucht. Wir befinden uns bereits in der „Satteltole“, dem letzten Hang in Richtung des Westgrats. Dieser Abschnitt erscheint auf Karte und auch vor Ort wiederum nicht allzu lang, doch es sind noch ganze 400 Höhenmeter vom Einstieg der Satteltole auf den Sattel. Wir zollen der Höhe Tribut und müssen die ein oder andere Pause einlegen und auch die Kälte wird zunehmend ein Thema.

In der Satteltole
Der berühmteste Berg der Alpen (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Die Kälte ist uns anzusehen, die Laune trotzdem sehr gut (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Mit jeweils einer zusätzlichen Schicht und mit Mütze, Buff und dickeren Handschuhen wappnen wir uns gegen die Minusgrade und den immer wieder auffrischenden Westwind. Unterhalb des Sattels gilt es nochmals eine etwas steilere Passage zu überwinden und auch ein Bergschrund stellt sich in den Weg. Doch auch hier profitieren wir wieder von den erstklassigen Bedingungen, denn anstatt Eisschrauben zu setzen, stapfen wir die letzten Meter seilfrei in besten Tritten hinauf zum Sattel.

Die letzten Meter zum Sattel, ganz ohne Blankeis

Um 7:20 Uhr erreichen wir den Sattel und machen uns bereit für den mit rund zwei Stunden angegebenen Anstieg über den Westgrat. Dass wir diese nicht ganz brauchen würden, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Die Höhe bereitet uns überraschend wenig Probleme und so gibt es keine Pause, denn wir sehnen uns die Sonne herbei, die auf den Ostseiten bereits einfällt.

Der erste Firngrat direkt nach dem Sattel: perfekte Bedingungen

Der erste Firnteil, welcher kein Blankeis aufweist, gestaltet sich als problemlos – wir steigen in einer guten Spur aufwärts und kämpfen lediglich gegen die Kälte. Wir wissen, dass dies der kälteste Zeitpunkt des Tages wird und dass es sehr bald schon deutlich wärmer werden würde. Wir sind froh über die guten Verhältnisse und beißen auf die Zähne bezüglich der Kälte. Jana geht ein paar Schritte vor mir und Thomas ist aufgrund seiner ausgezeichneten Akklimatisierung und Form bereits den ersten Aufschwung hinauf und macht ausgiebig Fotos.

Am Ende des ersten Firngrats, die Sonne wärmt unsere kalten Gesichter (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

In der Sonne angekommen, flacht der Grat ab und wir wandern in atemberaubender Kulisse der ersten Felspassage zu. Hier stauen sich bereits einige Seilschaften und wir lassen uns genug Zeit. Wir holen kurz das Seil heraus und sichern schnell am laufenden Seil durch die Felszacken hindurch. Die Verhältnisse sind weiter perfekt und so finden wir genügend festen Firn vor, der das Vorankommen enorm erleichtert. Die Kletterei ist durchweg einfach, lediglich ein Block muss etwas ausgesetzt abgeklettert werden.

In der ersten Felspassage, im Hintergrund der zweite Firngrat (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
An den schwierigeren Passagen kann am laufenden Seil gut gesichert werden (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Wetter und Laune sind optimal! (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Weiter geht es in den zweiten Firngrat, im Hintergrund die Felspassage (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Punkt 8 Uhr erreichen wir das Ende der Felspassage und machen uns bereit für den nächsten Firnaufschwung. Auch dieser ist problemlos zu begehen und so stehen wir bald schon auf einer Höhe von 4600 m. Der letzte Felsaufschwung stellt die Schlüsselstelle der Tour dar, doch wir kommen problemlos bis zum letzten Aufschwung voran. Dort ist ein Kamin zu überwinden, der praktischerweise mit erstklassigem Trittfirn ausgestattet ist. So können wir das vorhandene Fixseil liegen lassen und klettern in leichtem Gelände nach oben (II+ mit Fixseil, III ohne Fixseil). Das Gelände ist zwar nicht schwierig, jedoch durchaus sehr ausgesetzt, sodass keine Fehler erlaubt sind.

In der letzten Kletterpassage vor dem Gipfel
Bester Trittfirn und somit keine größeren Kletterschwierigkeiten

8:59 Uhr treten wir auf das kleine Gipfelplateau und treffen auf eine Vielzahl an bereits aufgestiegener Seilschaften. Thomas ist bereits am Gipfel und empfängt uns mit ein paar Fotos und Videos. Wir genießen das Panorama vom höchsten Punkt der Schweiz aus. Im gesamten Alpenbogen wird dieser Punkt nur noch vom Mont Blanc überragt, welchen wir am Horizont erkennen. Um uns herum wirken die hohen Viertausender der Walliser Alpen überraschend klein und der Blick reicht von den Saastaler Viertausendern übers Berner Oberland bis hin zu den prominenten Gipfeln um Zermatt.

Das offizielle Gipfel-Selfie (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Blick in Richtung Zumsteinspitze (im Vordergrund), Signalkuppe und Parrotspitze (hinten)
Jana und ich am Gipfel des höchsten Bergs der Schweiz (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Der formschöne Grat zum spektakulär wirkenden Gipfel des Nordends, 4608 m (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Die Dunantspitze

Der Gipfel ist für mich ein wirklich emotionaler Moment, denn schon sehr lange hatte ich diese Tour im Sinn. Bereits als kleiner Junge übte die Dufourspitze immer eine große Anziehungskraft auf mich aus. Der drittletzte meiner „Seven Summits of the Alps“ ist erreicht! Vergessen sind all die stornierten Übernachtungen auf der Monte Rosa Hütte, welche nötig waren, um mit viel Geduld, Vorbereitung und Training am heutigen Tag den perfekten Moment abzuwarten. Besonders freut es mich, dass ich den Gipfel mit Jana und Thomas erreiche, mit denen ich so viele tolle Touren bereits machen konnte.

Mehr als 15 Jahre war dieser Gipfel in meinem Kopf, bevor es 2023 geklappt hat! (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Der mächtige Liskamm (links Ostgipfel, rechts Westgipfel, Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Bei solch einem tollen Gipfel, dürfen es ruhig ein paar Bilder mehr sein (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Glücklicherweise ist es angenehm windstill und so verbringen wir mehr Zeit als geplant am Gipfel, denn an der Abseilstelle in Richtung Silbersattel stauen sich bereits ein paar Seilschaften. Zuletzt haben wir den Gipfel ganz für uns alleine und machen nochmals ein paar Fotos. Eine halbe Stunde nach Ankunft am Gipfel geht es weiter. Wir queren ein paar Meter unschwierig in Richtung Dunantspitze, bevor wir die Abseilfahrt in Richtung Silbersattel antreten. Das gleichnamige Couloir ist bereits voll mit Seilschaften und die hinter uns kommenden Führerseilschaften zeichnen sich leider nicht durch Umsicht aus. Ein paar Ärgernisse sind bald vergessen und wir lassen die Bergführer passieren, auch wenn das Gelände alles andere als einladend ist.

Thomas in der ersten Abseillänge
Das Nordend präsentiert wie erwartet hervorragende Bedingungen (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Jana im Silbersattel-Couloir

Sechs Mal seilen wir ab, bis wir Gehgelände oberhalb des Silbersattels erreichen. Der Helm ist in diesem Couloir wirklich kein Luxusgegenstand, denn permanent fliegen Eis- und Steinbrocken und wir hüten uns davor, zu lange nach oben zu schauen. Fast zwei Stunden inkl. Warten dauert das Abseilen, denn wir müssen auch im Couloir sehr oft darauf warten, dass der nächste Abseilstand frei wird.

Rückblick ins Couloir, im unteren Drittel Jana und ich (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Im Silbersattel angekommen, suchen wir uns einen windgeschützten Platz. Kurz beratschlagen wir, doch der Plan ist klar: wir gehen auch noch auf das Nordend! Die hervorragenden Verhältnisse und das gute Wetter laden geradezu dazu ein, auch wenn wir wissen, dass wir im Abstieg dann einen etwas weicheren Gletscher vorfinden würden. 11:45 Uhr zeigt die Uhr, als wir den Aufstieg in Richtung Nordend fortsetzen. Wer glaubt, dass die angegebene Zeit von 1h im SAC-Führer bei nur rund 80 Höhenmetern übertrieben sei – so unrealistisch ist es nicht. Wir nehmen uns die Zeit für ausführliche Fotos an diesem scharfen und wahnsinnig fotogenen Grat, den spitzen Gipfelaufbau immer im Blick.

Auf geht’s in Richtung Nordend! (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Fotogene Szenen am scharfen Grat in Richtung Gipfel (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Diese Stelle ist sehr häufig blank, was den Einsatz von Eisschrauben fordert – im Hintergrund die Dufourspitze (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Eine gute halbe Stunde nach Aufbruch aus dem Silbersattel erreichen wir die Felsen unterhalb des Gipfels und holen nochmals das Seil heraus. Die Kletterschwierigkeit hält sich zwar in Grenzen, jedoch ist die Ausgesetztheit hier oben maximal. Im letzten Aufschwung gibt es zwei Möglichkeiten: entweder durch eine kleine Verschneidung (Fixseil-Schlinge) oder rechts sehr ausgesetzt über eine plattigere Variante. Wir entscheiden uns für die klettertechnisch etwas schwierigere Verschneidung, jedoch ist diese weniger ausgesetzt. Schnell ein paar Sicherungen gelegt und schon stehen wir nach weniger als einer Stunde ab dem Silbersattel auf dem Gipfel des Nordends (4608 m).

Einstieg in die Kletterei des Gipfelaufbaus (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Jana kurz am exponierten Gipfel des Nordends (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Blick vom Gipfel zurück in Richtung Dufourspitze mit dem von uns begangenen Westgrat (rechts)

Was für ein Berg! Die Exposition hier ist deutlich größer als auf der Dufourspitze und der Gipfel ist extrem klein. Wir haben nur mit Mühe zu dritt Platz und binden uns sicherheitshalber auch kurz fest. Der Nebel versperrt uns ein wenig die Sicht in Richtung Macugnaga, doch die Landkarte lehrt uns: vom Nordend geht es senkrecht hinab, in Worten:

„Mit 2.600 Metern Höhe ist die Ostwand des Monte Rosa die größte Wand der Alpen und die einzige himalayischen Ausmaßes in Europa.“

www.azzurro-diary.com

Diesen Satz würden wir so uneingeschränkt unterschreiben, auch ohne den detaillierten Blick hinab.

Das spitze Nordend rechts mit der mächtigen Monte Rosa Ostwand, hier von der Zumsteinspitze fotografiert (2021)

Was für ein Gefühl – wir haben die beiden höchsten Berge der Schweiz an einem Tag bestiegen. Bis hierhin waren es über 1850 Höhenmeter Anstieg, wovon ein guter Teil über 4000 m Höhe lag. Wir gönnen uns nochmals 20 Minuten Pause und blicken zurück auf die Dufourspitze und in die Runde der beeindruckenden Eis- und Felsriesen des Wallis.

Thomas beim Abklettern des Gipfelaufbaus

Vorsichtig klettern wir die Schlüsselstelle (III / III+) zurück, bis wir wieder auf dem Firngrat stehen. Nochmals nutzt Thomas die fotogene Szenerie und wir laufen hier und da nochmal ein paar Meter vor und zurück, um diese Momente für die Ewigkeit festzuhalten. Um 13:30 Uhr sind wir zurück im Silbersattel und machen uns auf den Abstieg in Richtung Obere Plattje.

Auch auf dem Weg zurück in den Silbersattel enden die spektakulären Perspektiven nicht (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Auf dem Weg zum mächtigen Bergschrund kurz unterhalb des Silbersattels

Den Weg hatten wir bereits am Abend zuvor mit dem fachkundigen Hüttenwirt Richard Lehner besprochen und uns für die Variante durch den Spaltenbruch, dafür etwas weiter weg von den gefährlichen Séracs, entschieden. Vom Nordend aus hatten wir die Route nun nochmals studiert und so zweigen wir nach der Durchquerung des mächtigen Bergschrunds nach links ab in Richtung eines Wirrwarrs aus Spaltenbrüchen und Löchern. Dank guter Spur und GPS finden wir ohne Probleme durch das Spaltensystem und lediglich einmal beschleunigen wir unseren Schritt, als wir durch recht frische Eisabbrüche unterhalb einer mächtigen Eiswand hindurch gehen.

Durch mächtige Spaltensysteme navigieren wir kontinuierlich voran (Foto: Thomas Herdieckerhoff)
Die äußerst gute Schneelage ermöglicht uns einen entspannten Abstieg (Foto: Thomas Herdieckerhoff)

Im spaltenarmen Teil des Gletschers angekommen, wissen wir, dass die Hauptschwierigkeiten der Tour hinter uns liegen. Wir ziehen ein paar Kleidungsstücke aus und genießen den Abstieg, obwohl wir regelmäßig im sumpfigen Schnee einbrechen. Nach weiteren vielen hundert Höhenmetern Abstieg macht sich bei mir eine mir bisher nicht bekannte Sehne im Knöchel bemerkbar und ich merke jeden Schritt. Diese Sehnenreizung verlangsamt uns ein wenig, wir erreichen jedoch trotzdem ohne größere Probleme das Ende des Gletschers bei „Obere Plattje“.

Ohne Steigeisen beginnt der letzte mühsame Teil durch das Blockgelände. Die Orientierung fällt am Tag nicht unbedingt signifikant leichter als bei Nacht und wir trotten langsam der Hütte zu. Ohne weitere objektive Gefahren auf der verbleibenden Route und eine hochkarätige Tour hinter uns, haben wir keinen Grund uns zu stressen. Gut 13 Stunden nach Aufbruch erreichen wir die Monte Rosa Hütte und entledigen uns aller Ausrüstungsgegenstände und Kleidung.

Das verdiente alkoholfreie Bier an der Monte Rosa Hütte
Abendstimmung an der Monte Rosa Hütte
Die Dent Blanche im letzten Licht des Tages, ebenfalls eine sehr schöne Tour
Abendliches Wolkenspiel am Matterhorn

Jana und ich entscheiden uns für eine weitere Nacht, da ich es meinem Knöchel nicht zumuten möchte, noch drei Stunden zum Rotenboden zu laufen, um die letzte Gornergrat Bahn zu erwischen. Thomas macht sich nach einer ausgiebigen Pause und einem alkoholfreien Weißbier auf den Rückweg nach Zermatt während Jana und ich einen schönen Abend auf der Monte Rosa Hütte genießen. Auf wenigen Hütten würden wir die zusätzliche Hüttennacht einem spätabendlichen Abstieg vorziehen, doch diese Hütte ist es definitiv wert. Abermals werden wir erstklassig verpflegt und wir fallen früh ins Bett.

Strömender Regen am nächsten Morgen, als wir uns auf den Weg zum Rotenboden machen
Rückblick zur Hütte mit dem Gornersee im Vordergrund
Die Gletscherzunge des Gornergletschers
Zurück am Rotenboden – im Hintergrund Nordend (links) und Dufourspitze (rechts)

Der Rückweg zum Rotenboden am nächsten Morgen beginnt im strömenden Regen. Nach etwa einer halben Stunde klart es aber auf und wir kommen in der Folge trocken zurück zur Station Rotenboden. Auf dem „Panoramaweg“ (neuer Weg) können wir nochmal diese unfassbar schöne Tour Revue passieren lassen und freuen uns schon auf das gemeinsame „After-Hochtour-Essen“ mit Thomas am Campingplatz in Randa. Unterwegs überkommt uns doch noch der Hunger und so machen wir eine kurze Pause in einer Pizzeria in Zermatt. Am Nachmittag treffen wir Thomas dann wieder am Camping und haben genug Zeit, die schönen Erlebnisse auf dieser Traumtour zu besprechen – ausgiebiges Abendessen inklusive. Dufourspitze und Nordend an einem Tag – eine wirklich wunderschöne Tour, die perfekt aufgegangen ist.


Facts zur Tour

  • Mühen: Sehr langer Weg von Zermatt bis auf den Gipfel, sehr viele Höhenmeter auf Gletscher
  • Freuden: Spektakuläre Landschaft und hochalpines Ambiente am höchsten Berg der Schweiz
  • Risiken: Stein- und Eisschlag im Silbersattel-Couloir, viele Spalten am Monte Rosagletscher
  • Aufstieg: 1900 hm / 7:30 h (ab Monte Rosa Hütte)
  • Abstieg: 1900 hm / 5:30 h (bis Monte Rosa Hütte
  • Exposition: Nord, West
  • Schwierigkeit: ZS / III
  • Charakter der Tour: Kombinierte Hochtour mit Kletterpassagen
  • Equipment: Gletscherausrüstung, 40m Seil (alternativ 30+30), für Abseilstellen min. 40m nötig
  • Beste Jahreszeit: April-Mai (Ski), Juli-Ende August

Fazit

Die Überschreitung der Dufourspitze in Verbindung mit dem Nordend ist eine sehr lange und anspruchsvolle Hochtour in den Walliser Alpen. Die Kletterschwierigkeiten übersteigen nie den III. Grad (Gipfelaufschwung Nordend), jedoch ist die Ausgesetztheit teilweise groß. Die Länge der Tour in dieser großen Höhe erfordert gute Akklimatisierung und genügend konditionelle Reserven. Bei Vereisung werden sowohl Westgrat zur Dufourspitze als auch der Gipfelgrat am Nordend sehr schnell heikel. Die Verhältnisse können meist zuverlässig auf der Monte Rosa Hütte abgefragt werden (Webseite oder Anruf). Ein früher Aufbruch ist Pflicht, denn im Spaltensystem am Monte Rosagletscher sollten speziell an heißen Tagen die Brücken noch nicht aufgeweicht sein. Die Gornergrat Bahn erleichtert den Hüttenzu- und abstieg. Begeht man die Tour von Zermatt aus „by fair means“ sind es über 50 km und 4500 hm.


Links

  • Monte Rosa Hütte – diese Hütte lohnt sich aufgrund der Lage, der Architektur und der spektakulären Aussicht auch bereits als Ausflugsziel: https://monterosahuette.ch

2 Gedanken zu „DUFOURSPITZE (4634m) UND NORDEND (4608m)“

  1. Ihr habt die perfekten Verhältnisse ausgenutzt und zwei herrliche Gipfel bestiegen. Ich gratuliere zu dieser großartigen Leistung.
    Bericht und Bilder laden zum Miterleben ein. Einfach super!

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