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FINALE AUF DER ZUMSTEINSPITZE (4563m)

Letzte Etappe auf die Zumsteinspitze (4562m) und Abstieg nach Zermatt.

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Vier Tage Hochgebirgs-Durchquerung liegen bereits hinter uns als unser Wecker kurz vor vier Uhr im Lager der Capanna Regina Margherita klingelt. Nächte in dieser Höhe sind durchaus speziell, denn der Körper kann sich auf mehr als viereinhalbtausend Metern nicht in der gleichen Form wie im Tal erholen. Nur bei längerer Akklimatisierung kann man auch in dieser Höhe entspannt schlafen. Meine Garmin-Uhr zeigt mit einem tiefsten Puls von 58 Schlägen pro Minute einen stark erhöhten Wert an, in normalen Höhen habe ich nachts einen Puls von 35-45 Schlägen pro Minute.

Nach einem kurzen Frühstück in Form von Weißbrot legen wir noch in der Hütte direkt wieder die gezackten Freunde an die Schuhe und auch das Seil bringe ich gleich in den einsatzbereiten Zustand. Wir treten in eine klare und kalte Nacht hinaus. Der Schneesturm vom Tag zuvor ist vorüber und der Sternenhimmel kündigt einen tollen Tag am Berg an. Zügig steigen wir auf den Colle Gnifetti ab und auch Andi und seine Gäste sind bereits dort und wir können an einer geeigneten Stelle überholen. Von hier sind es lediglich 120 Höhenmeter bis auf die Zumsteinspitze, einem weiteren hohen Gipfel des Monte Rosa Massivs.

Blue Hour Selfie auf der Zumsteinspitze

Nach ein paar kurzen Kraxel-Metern mit Steigeisen stehen wir wie geplant noch vor Sonnenaufgang auf dem Gipfel der Zumsteinspitze (4563m). Welch ein Glück! Wir stehen auf dem fünfthöchsten Gipfel der Alpen und sehen den wohl spektakulärsten Sonnenaufgang, den wir je am Berg und sicher auch generell erlebt haben. Vor den Zacken unserer Steigeisen bricht die Monte-Rosa-Ostwand, die höchste Wand der Alpen, fast zweieinhalbtausend Meter senkrecht nach unten. Extrem beeindruckend sehen aus dieser Perspektive Dufourspitze und Nordend aus, die unseren Punkt nochmal um ein paar Meter überragen. Wir machen sehr viele Fotos von diesen spektakulären Momenten, auch wenn es eisig kalt ist.

Dufourspitze und Nordend kurz vor Sonnenaufgang im perfekten Licht
Der Gipfel der Zumsteinspitze und die Signalkuppe im Hintergrund
Was für ein Gefühl! Am höchsten Punkt der Tour bei einer perfekten Sonnenaufgangsstimmung.
Erste Sonnenstrahlen auf Dufourspitze und Nordend

Nach dem Sonnenaufgang werfen wir einen Blick auf den Verbindungsgrat zwischen Zumsteinspitze und Dufourspitze. Noch haben wir uns nicht entschieden, ob wir die Überschreitung machen werden. Nach etwa 20 Metern auf dem Grat drehen wir jedoch um – der Neuschnee aus der letzten Nacht auf harter Unterlage macht das Unterfangen nicht so sicher, wie wir uns das vorstellen. Somit markiert die Zumsteinspitze den höchsten und letzten Gipfel unserer fünftägigen Tour und wir wenden uns wieder in Richtung Signalkuppe, um den Abstieg ins Tal anzutreten. Diese beiden Gipfel werden wir bei anderer Gelegenheit (vielleicht mit Ski?) besteigen.

Liskamm, Breithorn und im Hintergrund Mont Blanc, Grand Combin, Dent d’Hérens und Matterhorn

Wir kraxeln zurück in den Colle Gnifetti und wenden uns nun am langen Seil gehend in Richtung Liskamm. Aufgrund der Tatsache, dass vor uns mehr als 20 Kilometer Wegstrecke – das Meiste davon über Gletscher – liegt, erhöhen wir im Abstieg nun das Tempo. Ich möchte unbedingt den Abstieg über den Grenzgletscher beendet haben, bevor dort die erste Sonne hinein fällt und die Schneebrücken aufweicht. So fallen wir in einen leichten Laufschritt und fast joggend bringen wir zügig den ersten Teil des Gletschers hinter uns. So kommen wir sehr schnell voran und arbeiten uns an der imposanten Liskamm-Nordwand entlang in Richtung Tal.

Am Beginn des Abstiegs auf dem Grenzgletscher

Unterwegs passiert uns einige Male die Air Zermatt. In der Nacht zuvor hatten wir einen Alpinisten in unserem Lager, der klare Symptome von Höhenkrankheit gezeigt hatte und den Abstieg keinesfalls aus eigener Kraft meistern konnte. Auch viel Cola, Wasser und eine Aspirin aus meinem Vorrat konnten ihm nicht helfen und so blieb nur die Sauerstoffflasche und eine sehr unangenehme Nacht für ihn.

Kurz vor Beginn der ersten Spaltenzone, links die Abbrüche des Liskamms

Zu diesem Zeitpunkt bin ich sehr froh, dass außer ein klein wenig Müdigkeit unsere Körper die Höhe gut weggesteckt haben – waren wir doch aber auch perfekt akklimatisiert, was man von diesem Bergsteiger wohl eher nicht sagen konnte. Hierbei sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Übernachtung auf der Capanna Margherita nur sinnvoll ist, wenn man sich davor über mehrere Tage (in unserem Fall sogar zwei Wochen) akklimatisiert hat und bereits mehrere Nächte in größerer Höhe verbracht hat.

Auf der gegenüberliegenden Talseite grüßen die prominenten Gipfel

Zurück auf dem Grenzgletscher fokussieren wir unsere Gedanken wieder voll auf den Abstieg, denn hier sind einige tückische Spaltenzonen zu durchqueren. Noch im Schatten liegend ist alles bestens gefroren und wir navigieren durch die letzten Séracs als dann die Sonne erstmalig die südlichen Ränder des Grenzgletschers erreicht. Die letzten paar hundert Streckenmeter geht es unschwierig und flach hinaus bis zur „Oberen Plattje“. Hier verschwinden Steigeisen, Gurt und Seil im Rucksack und im Sommeroutfit steigen wir die letzten Meter auf Felsen hinunter zur Monte Rosa Hütte.

Die ersten Sonnenstrahlen treffen auf den Gletscher, welchen wir in diesem Moment verlassen

Dieser Prachtbau – er symbolisiert einen Bergkristall – sticht aus allen Hütten der Alpen hervor, ist die Architektur doch futuristisch und zugleich angepasst an die Umgebung. Auch innen punktet die Monte Rosa Hütte mit toller Architektur und nicht weniger wichtig – tollem Essen und klasse Service. An diesem Tag – es ist erst 10 Uhr am Vormittag – gönnen wir uns einen Kaffee und plauschen kurz mit Wirtin und anderen Gästen ob des besten Wegs ins Tal. Hier stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung, wobei der „alte“ Weg zu dieser Zeit eher nicht empfohlen ist, da man einen größeren Bach queren müsste. So entstand in den letzten zwei Jahren ein neuer Weg, welcher rund eine Stunde länger ist, jedoch durch sicheres Terrain führt.

Die Monte Rosa Hütte vor Gornergletscher und Matterhorn

Vier Stunden lautet die Zeitangabe an der Hütte bis zur Station Rotenboden der Gornergratbahn. Sportlich ambitioniert gebe ich drei Stunden für uns aus – wenn ich mich da mal nicht täusche. Nach einer Stunde stetigem Auf und Ab erreichen wir den oberen Gornergletscher. Ein letztes Mal kommen die Steigeisen an die Sohlen und wir wandern gemütlich über den Gletscher. Bei aperen Verhältnissen kann hier auf das Seil verzichtet werden, Erfahrung im Gehen mit Steigeisen vorausgesetzt.

Auf der Seitenmoräne sind noch einige Höhenmeter bis zur Station Rotenboden zurückzulegen

Am Ende der Traverse des Gletschers verschwinden die Steigeisen ein letztes Mal im Rucksack und wir marschieren leicht ansteigend auf der Seitenmoräne in Richtung Rotenboden. In exakt drei Stunden ab der Monte Rosa Hütte, aber auch durchaus mit zügigem Schritt, erreichen wir die Station der Gornergratbahn und lösen für 55 Franken das Billett nach Zermatt. Dort angekommen, gönnen wir uns die Vorzüge der Zivilisation und lassen die letzten Tage Revue passieren. Ein langer Abend wird es nicht, denn zurück am Camping Attermenzen sind wir schnell im Heck des Busses verschwunden.

Rückblick auf die letzten fünf Tage: links Monte Rosa Massiv, rechts das Breithorn

Hier geht’s zu den vergangenen Artikeln zu dieser Tour:
Tag 1: Auftakt am Breithorn | Tag 2: Über Pollux und Castor | Tag 3: Drei Viertausender an einem Tag | Tag 4: Ein windiger Tag am Monte Rosa


Facts zur Tour

  • Mühen: Langer Abstieg mit 400hm Gegenanstiegen bis zum Rotenboden
  • Freuden: Einer der schönsten Orte in den Alpen für einen Sonnenaufgang
  • Risiken: Sehr spaltenreicher Gletscher im Abstieg, auf der Zumsteinspitze Absturzgefahr
  • Aufstieg: 520hm / ca. 1:30h
  • Abstieg: 2200hm / ca. 5:30h (Achtung: über 20km Wegstrecke)
  • Exposition: West, Süd, Nord
  • Schwierigkeit: Hochtourenbewertung WS
  • Charakter der Tour: Hochtour mit viel Gletscherkontakt
  • Equipment: Gletscherausrüstung
  • Beste Jahreszeit: Juli-September

Fazit

Die Zumsteinspitze ist sicherlich ein einfach zu besteigender Berg – sofern man sich bereits auf der Signalkuppe befindet. Am Gipfelaufbau ist nur eine kurze Stelle mit leichter Kletterei (UIAA I) zu bewältigen, ansonsten ist lediglich Trittsicherheit mit Steigeisen nötig. Komplex macht diesen Gipfel jedoch die Abgelegenheit. Von allen Seiten sind die Zustiege lang und nicht ganz ungefährlich. Auch der Abstieg zur Monte Rosa Hütte ist zwar technisch leicht, aber auf dem Grenzgletscher ist eine saubere Routenführung absolut notwendig, sonst kommt man in gefährliche Spaltenzonen. Diesen Gletscher sollte man eher nicht im Sonnenschein betreten! Insgesamt ist der Weg von der Zumsteinspitze zurück in die Zivilisation extrem lang.

Ein Gedanke zu „FINALE AUF DER ZUMSTEINSPITZE (4563m)“

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