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WEISSMIES (4017m)

Überschreitung über den Südgrat im Aufstieg und den Normalweg im Abstieg.

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Der, die oder das Weissmies? Das ist hier die große Frage, wenn es um diesen Gipfel geht. Oder vielleicht doch Weißmies? Fragen über Fragen, mit denen sich jedoch ehrlicherweise der gemeine Alpinist in den Westalpen nicht beschäftigt. Lediglich beim Schreiben dieses Blogartikels denke ich so darüber nach und wundere mich, denn hier widersprechen sich auch Führer, Karten oder Tourenberichte. Überhaupt sind die sprachlichen und kulturellen Vermischungen im Wallis so spürbar wie an keinem anderen Ort in der Schweiz. Regionaltypische Begriffe aus der Sprache der Walser,  Hochdeutsch, das Französische (die Romandie beginnt zwei Täler weiter), das Italienische von Süden und gelegentlich auch mal englische Begriffe und Ortsnamen aus der Zeit der ersten Alpentouristen aus dem United Kingdom wechseln sich munter ab. Auch Bezeichnungen an Bergen haben hier durchaus je nach Quelle eine leicht abgeänderte Schreibweise.

Wie dem auch sei – wie bleiben in diesem Bericht nun bei „das Weissmies“. Für mich ein sehr spezieller Berg, so markierte er doch 2003 den ersten Viertausender den ich besteigen durfte, damals im jungen Alter von elf Jahren, instruiert und am „Anseilstrickli“ geführt durch meine Mutter. Die gleiche Route wie 2003 wählten wir auch 2020, nämlich den Anstieg von der Almageller Hütte über den Südgrat und die Überschreitung hinunter zur Hohsaas-Bergstation.

Ein außergewöhnlich stabiler Spätsommer im Wallis ermöglicht auch mit Fortschreiten des Septembers noch hohe Touren und so ist es auf dem Hüttenanstieg von Saas Almagell zur Almageller Hütte hinauf „gscheit heiß“ und die Trinkpausen versuchen wir im Schatten zu machen, um nicht gar so sehr auszulaufen. Begleitet werde ich von meiner Freundin Jana und ihrer Schwester Lena, welche mit uns ein paar Tage im Wallis verbringt. Für sie ist es der erste Viertausender und entsprechend aufgeregt sind die Gespräche am Vorabend auf der Hütte, bevor wir früh das Lager aufzusuchen.

Blue Hour auf dem Zwischbergenpass

Kurz nach fünf starten wir dann am folgenden Morgen an der Hütte zunächst auf einem gut angelegten Pfad immer dem Zwischbergenpass zu. Dieser ist auf diesem bequemen Weg schnell erreicht und so ist Zeit für ein paar Blue Hour Fotos. Dem imposanten Portjengrat wenden wir nun den Rücken zu und sehen im Norden schon unser heutiges Ziel mit dem schönen Südgrat.

Auf der Simplon-Seite des Südgrats (rechts im Bild) bequem ansteigend immer den Portjengrat im Rücken

In der Folge geht es nun immer rechts vom Grat haltend zunächst flach, später aufsteilend im weglosen Blockgelände dahin. Früher im Jahr sind hier auch zwei markante Firnfelder zu finden, welchen man ebenfalls bequem nach oben folgen kann. Erst spät, auf ca. 3400m, steigen wir dann dem Grat zu. Zur Orientierung kann folgende Regel dienen: die markanten Türme des Grats, welche sich im flachen Teil befinden sollten nicht überklettert werden, sondern erst auf den Grat wechseln, wo dieser merklich aufsteilt.

Traumhafte Ausblicke von Monte Rosa bis Mischabelgruppe im Anstieg am Südgrat

In der Folge geht es im leichten Ier-Gelände immer leicht zu finden und ohne technische Schwierigkeiten, aber mit herausragender Aussicht in die Mischabelgruppe und die Allalingruppe dem Vorgipfel zu. Anschließend passiert man einen schwach ausgeprägten Schneegrat, wo bei Bedarf Steigeisen angelegt werden können.

Zurück nach 17 Jahren am Gipfel des Weissmies – ein schönes Gipfelplateau mit tollen Ausblicken

Wir finden uns kurz nach halb 10 auf dem bereits gut besuchten Gipfelplateau ein und verfolgen ein faszinierendes Wolkenschauspiel. Immer wieder werden wir eingenebelt, aber immer wieder geben die Wolken auch die grandiose Sicht in Richtung Saaser Hauptkamm frei. Sehr imposant wirkt auch von hier die Monte Rosa Ostwand, welche man sehr schön einsehen kann. Für meine beiden Begleiterinnen der ihr erster Viertausender, für mich ist es bereits zum zweiten Mal das Weissmiess, nachdem ich bereits als kleiner Bub hier oben ein Erinnerungsfoto gemacht habe.

Tolles Wolkenspiel während des Abstiegs auf dem Normalweg

Nach ausgiebiger Gipfelrast treten wir auf dem Normalweg den Abstieg an. Zunächst ist es eine schöne Gletscherwanderung am Grat entlang in Richtung Schwarzmies. Kurz vor Ende des Firns biegt man nun rechts ein und steigt durch zum Teil steiles und stark zerschrundenes Gletschergelände über den Triftgletscher ab. Mit großer Überraschung sehe ich, dass der Tourismusverband (oder vermutlich eher die Bergführer) Saas Grund wohl hier eine kleine Erleichterung nötig erachteten: eine breite Holzleiter erleichtert den Abstieg über eine heikle Stelle.

Immer wieder kommt passagenweise die Sonne durch und sorgt für eine tolle Stimmung am spaltigen Triftgletscher

Zum Mittagessen (hervorragendes Walliser Rösti) sind wir bereits auf Hohsaas und gleiten anschließend dank Saastal Card gratis von dort zurück ins Dorfzentrum von Saas Grund.


Facts zur Tour

  • Mühen: Je nach Jahreszeit viel Restschnee im Blockgelände neben dem Grat
  • Freuden: Tolle Aussicht und leichte, feste und ansprechende Kletterei am Südgrat
  • Risiken: Spaltenreicher Gletscher im Abstieg, ohne Leitern ggf. heikle Spalten
  • Aufstieg: 1150hm / ca. 4:00h
  • Abstieg: 900hm / ca. 2:00h
  • Exposition: Süd, Nordwest
  • Schwierigkeit: Hochtourenbewertung WS / Kletterei II. Grad
  • Charakter der Tour: Kombinierte Hochtour
  • Equipment: Gletscherausrüstung
  • Beste Jahreszeit: Juli-September

Fazit

Das Weissmies ist der Viertausender schlechthin, wenn man sich in vergleichsweise einfachem Terrain technisch und konditionell beweisen und auf größere Ziele vorbereiten will. Natürlich ist das Weissmies durch die Lage auch ein hervorragender Berg zur Akklimatisierung vor großen Touren im Gebiet wie dem Nadelgrat oder dem Täschhorn. Von der Almageller Hütte aus ist der Berg auch solo ohne Gletscherkontakt machbar und bei guter Kondition auch als Tagestour vom Tal realistisch. Die klettertechnischen Schwierigkeiten überschreiten eigentlich nie den oberen I. Grad, die Ausgesetztheit ist ebenfalls moderat. Eine rundum schöne Tour auf einen tollen Gipfel über dem Saastal.

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