Hochtour auf Nadelhorn und Stecknadelhorn hoch über Saas-Fee.
Die Mischabelkette. Eine der imposantesten Gipfelformationen der Westalpen erhebt sich hoch über Saas-Fee. An Täschhorn, Dom und Lenzspitze schließen sich in Richtung Nordwesten die Gipfel des Nadelgrats an. Dirruhorn, Hobärghorn, Stecknadelhorn und Nadelhorn bieten erfahrenen Alpinisten gleich vier Viertausender in einer grandiosen Gratkletterei: dem Nadelgrat.
Dieses alpine Abenteuer wird für den Moment noch auf der Wunschliste bleiben, denn aufgrund der späten Jahreszeit und dem sehr trockenen Sommer ist für uns klar, dass der Nadelgrat (vor allem der Zustieg über Selle oder Dirrujoch) nicht optimal sein wird. Am vorletzten Tag der Sommersaison und auch am Ende unseres Urlaubs im Wallis ergattern Jana und ich zwei Schlafplätze auf der Mischabelhütte. Nach zwei erholsamen Tagen im Tal sind wir nach dem langen Tag am Rimpfischhorn wieder fit und machen uns gegen 13:30 Uhr in Saas-Fee auf den Weg in Richtung Mischabelhütte. Der abwechslungsreiche Hüttenweg von der Bergstation der Hannig-Bahn (diesen Luxus gönnen wir uns) führt zunächst durch schönes Almgelände und anschließend durch die steilen Hänge unterhalb des Hohbalmgletschers. Über ein paar Steilstufen führen drahtseilversicherte Passagen und auch ein paar Leitern nach oben und so erreichen wir ohne zu viel Stress im Anstieg gegen 16:15 Uhr die Hütte.
Nach einer etwas kühleren Nacht in der „alten Hütte“ stehen wir um 4:10 Uhr mit Stirnlampen vor der Hütte und suchen uns die ersten Meter hinauf zum Gletscher durch wegartiges Gelände. Schnell gewinnen wir bei angenehm warmen Temperaturen an Höhe und seilen nach einer halben Stunde und 300 Höhenmetern am Gletscher an. Fortan geht es im weiten Bogen über den recht spaltenarmen Hohbalmgletscher immer dem Windjoch zu. Zuletzt geht es ein paar Höhenmeter durch eine Steilstufe hinauf zu P3847 aufs Joch, wo uns eine grandiose Blaue Stunde erwartet. Entgegen der eingängigen Erfahrungen – daher auch der Name – ist es auf dem Windjoch überraschend windstill. Wir genießen die Morgenstunden und steigen langsam auf dem Nordostgrat in Richtung Nadelhorn-Gipfelaufbau.
An zwei Stellen müssen wir in Richtung Norden ausweichen, aufgrund der Ausaperung sind die Stellen ein wenig blank. Wir können aber auf Schrauben verzichten und kommen so zügig weiter. Am Gipfelaufbau gilt es, noch ein paar Meter im Blockgelände zurückzulegen. Da wir nicht die einzigen Aspiranten an diesem Tag sind, warten wir ein paar Minuten, bis der Verkehr im Gipfelbereich sich gelegt hat. Währenddessen erleben wir um 7:15 Uhr einen grandiosen Sonnenaufgang. Exakt zwischen Weissmies und Portjenhorn kommt die Sonne hervor und wärmt sogleich die kalten Finger.
Ein paar Minuten später stehen wir auf 4327m am Gipfel und treffen dort auf Thomas und Maren, die vor uns von der Hütte gestartet waren, um den Sonnenaufgang am Gipfel zu erleben. Ein beeindruckendes Panorama mit der imposanten Lenzspitze, dem Dom und auf der anderen Seite die Gipfel des Nadelgrats und dem Weisshorn krönt diesen wunderschönen Morgen. Besonders spektakulär ist die Lenzspitz-Nordostwand, welche von hier gut einsehbar ist. Die sicher schönste Art, den „Südlenz“ zu besteigen, erscheint von hier definitiv machbarer, als in der Draufsicht. Bis es soweit ist, wollen die technischen Fertigkeiten aber noch etwas mehr geübt sein. Wir genießen die tolle Aussicht und freuen uns, dass Mitte September noch solch tolle Bedingungen und vor allem warme Temperaturen herrschen. Aus dem Meteo wissen wir allerdings, dass die Tourensaison zwei Tage später mit einem Wintereinbruch bis auf 1500m Höhe beendet sein wird. Ich freue mich, zum zweiten Mal auf dem Nadelhorn zu stehen – ganze vierzehn Jahre zuvor war ich bereits als damals Vierzehnjähriger hier oben und feierte meinen dritten Viertausender.
Aufgrund des Andrangs am Gipfel, machen wir das Gipfelkreuz nach kurzer Zeit wieder frei und steigen ein paar Meter ab. Dort gibt es nochmal eine Stärkung und wir schauen uns den Weiterweg in Richtung Stecknadelhorn an. Zwei Möglichkeiten stehen nun zur Auswahl: entweder man überklettert einen Gendarm im Abstieg zum Stecknadeljoch oder man steigt zunächst auf dem Normalweg in Richtung Windjoch ab und quert dann die Nordflanke des Nadelhorns. Da wir den kürzeren Weg bevorzugen, steigen wir dem Gendarm zu. Über eine kurze Kletterstelle (max. III. Grad UIAA) geht es über den Gendarm und auf der Rückseite wieder hinunter. Eine Schlinge oben erleichtert das Absichern und so bleibt bis zum Stecknadeljoch lediglich noch eine Stelle, die etwas steil und abschüssig nach Norden hinunter führt. Hier ist vorsichtiges Treten notwendig, denn das Gelände ist exponiert, ein falscher Tritt führt hier zu einem fatalen Rutscher. Anschließend geht es über den Grat einfach durch das Stecknadeljoch und dem Gipfelaufbau des Stecknadelhorns zu. Über leichte Felsen geht es zuletzt ein paar Meter aufwärts zum zweithöchsten Gipfel des Nadelgrats auf 4241m.
Der Gipfel des Stecknadelhorns ist abermals ein grandioses Erlebnis. Wir haben gegen 9:30 Uhr fast eine halbe Stunde den Gipfel für uns allein und genießen die Ruhe an diesem wunderschönen Ort. Beeindruckend sieht der Nadelgrat aus dieser Perspektive aus, vor allem die schiere Länge vom Dirruhorn zum Hobärghorn wirkt unendlich. Dies ist definitiv eine der größten Grattouren in den Alpen! Nach einiger Zeit treffen auch Thomas und Maren ein und wir reden noch ein paar Minuten miteinander und schießen Fotos.
Besonders die Flanke des Doms fällt von hier ins Blickfeld – sicherlich eines unserer Ziele in den nächsten Jahren. Jana und ich machen uns dann auf den Rückweg und nach dem einfachen Stück auf dem Grat entscheiden wir uns, nicht nochmal zum Nadelhorn-Gipfel aufzusteigen, sondern nehmen die Querung durch die Nadelhorn-Nordflanke.
Diese Passage ist äußerst heikel, da sie nicht abzusichern ist und im tiefen Stapfschnee findet man nicht immer Halt. Wir gehen am kurzen Seil (was man sich hier gut überlegen muss) und queren zügig hinüber zum Normalweg des Nadelhorns. Dieses Gelände möchten wir schnell hinter uns bringen, denn mit steigenden Temperaturen wird die Querung eher unangenehmer.
Zurück am Normalweg sind wir noch vor Mittag und wissend, dass die technischen Schwierigkeiten hinter uns liegen, wandern wir gemütlich hinunter zum Windjoch. Dort angekommen, rutschen wir die ersten Meter auf dem Gletscher abwärts, bevor wir dann solange wie möglich auf dem Firn bleiben und erst am tiefsten Punkt in die Felsen wechseln. Ein paar Minuten später stehen wir wieder an der Mischabelhütte, wo das verdiente Mittagessen in Form von Walliser Rösti wartet. Nach einer ausgiebigen Pause und einem Plausch mit Thomas und Maren machen wir uns satt und zufrieden auf den Weg ins Tal.
Facts zur Tour
Fazit
Das Nadelhorn ist ein einfacher Viertausender. Der Normalweg ist von der Mischabelhütte nicht allzu lang und technisch meist unschwierig. Abgesehen von häufig starkem Wind am Grat sind die objektiven Gefahren überschaubar. Die Überschreitung mit einem Abstecher auf das Stecknadelhorn hat jedoch ein paar mehr Schwierigkeiten im Gepäck: so muss man den Gendarm in Steigeisen überklettern und auch die abschließende Querung der Nordflanke des Nadelhorns ist schwierig, hier muss man auch immer die Schneeverhältnisse im Blick haben. Bei Unsicherheit lieber wieder zurück über den Nadelhorn-Gipfel. Die Mischabelhütte ist ein toller Stützpunkt und thront auf über 3300m in spektakulärer Lage über dem Saastal.
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