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DOM (4546m)

Lange und anstrengende Hochtour auf den höchsten Gipfel ganz auf Schweizer Boden.

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Der Dom. Was für ein Berg, was für ein kraftvoller Name! Schon letztes Jahr hatten wir die spektakuläre Nordflanke vom Gipfel des Stecknadelhorns aus beobachtet und uns vorgenommen, diesen Berg einmal in Angriff zu nehmen. Während unseres diesjährigen Urlaubs im Wallis passt für Jana und mich dieser Berg gut in die Pläne. Wir sind gut vorbereitet – Klettertechnik, Kondition, Akklimatisierung, Knowhow und nicht zuletzt Wetter und Bedingungen zeigen sich perfekt. Dass der Dom nicht nur eine herausragende Tour an sich ist, sondern uns auch hervorragend als Akklimatisierung dient, dazu mehr in einem späteren Blog-Eintrag.

Wir packen unsere Rucksäcke in unserem Basislager am schönen Camping Attermenzen in Randa und steigen an einem schönen Sonntag Mitte August um 11:45 Uhr los in Richtung Domhütte. An einem so schönen Tag werden die Wälder oberhalb von Randa mittags schnell heiß und leider habe ich den Tipp meiner Mama nicht beherzigt, denn anstatt am kühlen Morgen aufzusteigen, sind wir in der größten Mittagshitze unterwegs. Vielleicht liegt es auch an einem schönen Trailrun am Tag zuvor, dass wir es morgens noch langsam angingen lassen. Das Lagginhorn und die Alphubel-Traverse an den Tagen zuvor haben wir bereits erfolgreich gemeistert und so fühlen wir uns gut vorbereitet für diese große Tour. Mit den großen 45- bzw. 42-Liter Rucksäcken auf dem Rücken gehen wir den Wald über Randa (1408m) hinauf bis zum Europaweg über dem Mattertal mit der längsten Hängebrücke der Welt. Die Charles Kuonen Hängebrücke spannt sich über rund 500 Meter in über 80 Metern Höhe über ein großes Schuttkar. Da das Kar recht steinschlaggefährdet ist, hält die Hängebrücke gebührenden Abstand vom Berg, denn die letzte Brücke die hier existierte, wurde nur zwei Monate nach ihrer Eröffnung durch Steinschlag weggerissen. Die 2017 eröffnete Brücke ist nun so hoch über dem Tal, dass hier sicher keine Steinschlaggefahr mehr droht.

Begleitet von vielen Touristen, gehen wir hinüber und lassen kurze Zeit später die Europahütte links am Berg liegen, als sich unser Weg nach rechts in Richtung Domhütte wendet. Weiter geht es im steilen Gelände hoch zu einem mir bestens bekannten, markanten Felsen. Hier saß ich schon als kleiner Bub zur Brotzeit, als eine Tour auf die Domhütte mit Übernachtung eine zweitägige Expedition mit meiner Mama war. In der Folge geht es über einen drahtseilversicherten Steig (T3) die letzten 500 Höhenmeter hinauf. Um 15:30 Uhr sind wir dann oben an der Domhütte (2937m) angekommen und treffen dort ein paar Bekannte, welche soeben vom Gipfel des Doms zurück kommen. Nach einem kurzen Plausch gibt es für den Hunger ein Käsebrot und für den Elektrolyt-Haushalt ein alkoholfreies Weißbier auf der schönen Terrasse der Hütte.

Das majestätische Weisshorn kurz nach Sonnenuntergang von der Domhütte aus gesehen

Essen und Lager sind auf der Domhütte wie fast immer auf Schweizer Hütten hervorragend und so gehen wir nach einem netten Abendessen schon recht früh schlafen. Noch vor dem Wecker wachen wir um 2:15 Uhr auf und stellen fest, dass es regnet. Ich gehe vor die Hütte und checke mit ein paar Kollegen das Meteo am Handy. Es sieht so aus, als dass sich das Wetter bessert, lediglich eine Sache liegt mir schwer im Magen: Durch die Bewölkung in der Nacht konnten die tiefen Gletscherlagen nicht abstrahlen und dürften somit schlecht gefroren sein. Der Regen weicht den Schnee jetzt noch zusätzlich auf. In diesem Jahr liegt durch den feuchten und kalten Juli auch in den tiefen Lagen für Mitte August noch viel Schnee auf den Gletschern der Westalpen. Nach einer kurzer Beratschlagung machen wir uns mit den anderen Seilschaften bereit, um uns die Lage vor Ort anzuschauen. Im Licht der Stirnlampe geht es dann mit glücklicherweise aufgeklartem Himmel und ohne Regen um 3:40 Uhr los. Das ist ein bisschen später als wir ohne Regen gegangen wären, aber durchaus immer noch im Zeitplan. Am Gletscher angekommen, bestätigt sich mein Verdacht leider: weicher und tiefer Schnee, aber immerhin eine gute Spur. Wir seilen an und hintereinander marschieren die rund zehn Seilschaften im Stirnlampenschein gen Festijoch. In grundsätzlich unkritischem Gelände gibt dann unter Janas Füßen eine Schneebrücke nach. Da wir aber vorbildlich am straffen, langen Seil unterwegs sind und auch sonst allerlei Hilfsmittel wie Micro Traxion dabei haben, ist sie ohne Verletzung sogleich wieder heraus aus dem Loch und wir marschieren weiter in Richtung Einstieg zur Kletterei. Einem anderen Bergsteiger weiter vorne ist das Gleiche wie uns passiert, glücklicherweise auch ohne Verletzung.

Der mächtige Dom mit dem Festigrat vom Festijoch aus gesehen

Wir beratschlagen uns kurz und beschließen gemeinsam mit zwei jungen Schweizern, uns später im Abstieg über den Festigletscher mit ihnen zu einer Viererseilschaft zusammenzubinden. Nach diesem ersten Teil des Anstiegs über den Festigletscher, verschwindet jetzt das Seil vorerst am Mann und ohne Steigeisen und Seil klettern wir meist durch IIer Gelände (eine Stelle III) aufs Festijoch (3722m, 6:30 Uhr). Wir sind noch gut in der Zeit, wenn man bedenkt, dass wir eine kurze „Aktion“ am Gletscher hatten. Auf dem Festijoch gönnen wir uns eine Pause und füllen die Energie- und Flüssigkeitsspeicher wieder auf.

Festigletscher und im Hintergrund das Matterhorn am frühen Morgen
Die Séraczone, welche unterhalb mit genügend Abstand umgangen werden muss

Wir steigen auf das Plateau des Hobärggletschers ab und durchqueren einen Lawinenkegel unterhalb der Séraczone. Das Gelände ist recht unangenehm zu gehen und wer schon mal einen hart gefrorenen Lawinenkegel durchsteigen musste, weiß wovon ich spreche. Die Séracs, welche sich bedrohlich aufbauen, müssen unbedingt mit genügend Sicherheitsabstand umgangen werden – ansonsten droht hier große Eisschlaggefahr, speziell an warmen Tagen.

Gigantische Eisformationen am Hobärggletscher

Noch einmal durch etwas weicheres Terrain gehend, gewinnen wir schnell an Höhe und spätestens ab 4000m ist dann endlich alles hart gefroren – ein Glück! Wir steigen langsam die Nordflanke hoch, die immer weiter aufsteilt. Jetzt beginnt ein kaum enden wollender Marsch geradewegs in Richtung Himmel. 4546 Meter über dem Meer wollen eben auch hart erarbeitet werden. Das tiefste Tal der Alpen – damit wirbt das Mattertal – macht seinem Namen alle Ehre. Wer vom Talort Randa auf Weißhorn oder Dom steigen möchte, der muss mehr als 3000 Höhenmeter bewältigen und das am Ende zudem in sehr dünner Luft.

Große Höhe, steiles Terrain und starker Wind lassen uns nur langsam vorankommen

Langsam macht sich die Höhe und die körperliche Anstrengung bemerkbar und wir essen zwischendurch beide einen Riegel, um dem Körper wieder ein bisschen Energie zuzuführen. Gegen zuletzt recht starken Wind, geht es in ein Joch unter dem Gipfelaufbau, in welches die Route vom Festigrat einmündet. Über eine richtige Himmelsleiter geht es weiter hoch zum Gipfel.

Eine steile Kante führt zum höchsten Punkt – hier ist ausrutschen verboten

Zuletzt balancieren wir problemlos über einen sehr exponierten Firngrat hinüber zum Gipfelkreuz. Wir haben es geschafft! 4546m über dem Meer – bis hier hin ist das Höhenrekord für Jana und auch ich stehe in diesem Moment das erste Mal auf dem höchsten Gipfel des Mischabel-Massivs. Ein paar Tränen ob der Emotionen dürfen da durchaus erlaubt sein. Einen kleinen Rückschlag in Kraft umwandeln – das ist uns an diesem Tag gelungen. Es ist ein gigantisches Gipfelpanorama mit den Granden Weißhorn, Zinalrothorn, Ober Gabelhorn, Dent Blanche, Matterhorn, Breithorn, Liskamm und der gesamten Monte Rosa Gruppe vis-à-vis. Die 4000er des Saastals bestaunt man auf der anderen Seite – allesamt tiefer als der Dom. Der Tiefblick in Richtung Saas-Fee ist dazu nichts für schwache Nerven. Nahezu senkrecht stürzt die Ostwand fast 3000 Meter hinab ins Tal. Der Wind pfeift uns um die Ohren und wir sind ganz froh, dass wir das Seil am Gipfelkreuz eingehängt haben. Darauf verlassen möchten wir uns dennoch nicht und wir bleiben auch am Gipfelkreuz stehen und kraxeln nicht noch weiter, denn weiter hinten droht Wechtenbruch – das wurde schon vielen Abenteurern hier zum Verhängnis.

Gipfelglück auf 4545m nach einem anstrengenden Anstieg

Nur wenige Bilder machen wir diesmal, denn wir wissen um das, was noch vor uns liegt. So balancieren wir nach knapp zehn Minuten am Gipfel über den Grat wieder zurück in die über 40° steile Nordflanke. Um 10:15 Uhr beginnt der lange Abstieg. Die Gletschersituation im Kopf, bin ich sehr auf Geschwindigkeit bedacht. Wie immer auf Gletscherabstiegen verlieren wir keine Zeit und lassen die Füße so richtig fliegen. Nach nur 1:50h vom Gipfel erreichen wir nach einem kurzem, kraftraubenden Gegenanstieg wieder das Festijoch. Dort treffen wir, wie vorher ausgemacht, auf die zwei Schweizer, mit welchen wir abgesprochen hatten, uns zusammenzutun. Die beiden seilen ab dem Joch ab, Jana und ich entscheiden, das IIer-Gelände seilfrei im Abstieg zu gehen, da man gut abklettern kann. Zuletzt richte ich für die IIIer Stelle zügig eine Abseilbahn ein und alle vier fahren wir schnell am Seil die letzten Meter auf den Gletscher hinunter ab. Hier binden wir uns zu viert zusammen und nun bin ich „Achtern“ der Steuermann der neu formierten Viererseilschaft (alternativ auch der Bremsklotz). Peinlichst darauf bedacht, dass sich alle drei Kameraden am Seil so bewegen, dass das Seil straff läuft, laufen wir den Festigletscher ab. Ohne Probleme erreichen wir dann um 14:30 Uhr die Domhütte. Nach einer sehr ausgiebigen Stärkung in Form von Rösti und alkoholfreiem Weißbier, geht es Punkt 17:00 Uhr weiter ins Tal. So langsam werden die Beine schwer, doch wir kommen trotzdem noch problemlos durch die Kletterstellen.

Ihrer Art die längste der Welt: die Charles Kuonen Hängebrücke

Unten auf dem Europaweg geht es dann geradezu schnell dahin. Unterstützt durch meine neuen Trailrunningstöcke, welche sich jetzt wieder als sehr nützlich erweisen, steigen wir zügig ab und erreichen um 19:45 Uhr nach 3200hm Abstieg den Camping Attermenzen. Ungünstigerweise hat das Restaurant montags Ruhetag und so gibt es statt der Belohnung in Form von Pizza eben Pesto in unserem gemütlichen Bus. Weniger kaputt als erwartet und glücklich ob der tollen Tour auf den höchsten Gipfel ganz auf Schweizer Boden fallen uns um 22:00 Uhr die Augen zu. 


Facts zur Tour

  • Mühen: sehr großer Höhenunterschied, sowohl am Hüttenanstieg als auch auf den Gipfel
  • Freuden: Hochalpines Westalpenflair, gigantisches Gipfelpanorama und abwechslungsreicher Tourcharakter
  • Risiken: Viel Gletscherkontakt, Steinschlaggefahr im Aufstieg zum Festijoch, Eisschlaggefahr unterhalb der Séraczone
  • Aufstieg: Hüttenanstieg 1500hm / ca. 4:00h – Gipfelanstieg 1800hm / ca. 6:30h
  • Abstieg: 3200hm / ca. 7:00h
  • Exposition: West, Nord
  • Schwierigkeit: Hochtourenbewertung WS, Kletterei bis II+
  • Charakter der Tour: Kombinierte Hochtour
  • Equipment: Gletscherausrüstung, Abseilgerät, ggf. Expressschlingen
  • Beste Jahreszeit: Juli-September

Fazit

Der Dom ist eine große Hochtour auf den siebthöchsten Gipfel der Alpen. Hier gibt es keine Möglichkeit mit einer Bahn abzukürzen und so müssen alle Höhenmeter von Randa (1408m) zu Fuß bewältigt werden. Wer seinen Knien im Abstieg eine Pause gönnen möchte, dem sei eine zweite Übernachtung auf der Domhütte empfohlen. Die Kletterpassage aufs Festijoch ist nicht allzu schwierig, lediglich sollte man sich vom Einstieg weg immer leicht nach links orientieren, um nicht in brüchiges Gelände zu kommen – einzelne Bohrhaken weisen den Weg. Eine seriöse Akklimatisierung sollte für eine Tour über 4500m selbstverständlich sein, ansonsten wird es durchaus unangenehm. Unbedingt genügend Abstand zur Séraczone halten, hier droht Eisschlag. In manchen Foren wird der Dom über den Festigrat als mögliche Solo-Tour empfohlen, hiervon ist unbedingt abzuraten (siehe unser Erlebnis auf dem Festigletscher) aufgrund der Spaltensturzgefahr. Wissen und technische Fertigkeiten in Seilhandling, Sicherungstechnik und Spaltenbergung sind jedenfalls obligatorisch. Wenn alle Voraussetzungen passen und man Kondition für 1800hm am Gipfeltag (inkl. dem Gegenanstieg zurück aufs Festijoch) hat, dann ist der Dom eine großartige Hochtour im wunderschönen Wallis.

2 Gedanken zu „DOM (4546m)“

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