Einstieg in eine schöne mehrtägige Hochtour in den Walliser Alpen.
Die „Spaghetti Tour“. Ich wehre mich ehrlich gesagt ein klein wenig gegen diesen plumpen Begriff, umschreibt er doch nur recht rudimentär, von welch einer grandiosen Bergkulisse man umgeben ist, wenn man diese mehrtägige Durchquerung des Zermatter Hauptkamms begeht. Man könnte auch die „Zermatter-Runde“ oder die „Monte-Rosa-Runde“ ausrufen, das würde es deutlich besser treffen. Zur Bedeutung der „Spaghetti-Tour“ aber im weiteren Verlauf mehr. Schon an den Tagen vor unserer Tour sehen Jana und ich immer wieder erschöpfte Alpinisten aus der Gornergratbahn am Ortseingang von Zermatt aussteigen und nicht wenige tragen auch deutliche Zeichen von fünf oder mehr Tagen auf über 4000 Metern Höhe bei zum Teil großer Sonneneinstrahlung in ihren Gesichtern. Nach unserer langen Tour auf den Dom gönnen wir uns zwei volle Erholungstage, welche unsere Beine auch gut gebrauchen können. Ausgiebige Spaziergänge durch Zermatt und das Ersetzen verschlissener oder verlorener Ausrüstung steht auf unserem Programm und auch die Crêpes-Verkäuferin in der Bahnhofstrasse macht an uns das ein oder andere Mal ein paar Franken Umsatz mit uns.
Los geht es dann an einem Donnerstag Mitte August um 6:25 Uhr am Camping Attermenzen in Randa. Wir sparen uns die 2,5km Fußweg zum Bahnhof Täsch und gönnen uns für 40 Franken eine private Taxibusfahrt nach Zermatt, denn um diese Zeit fährt leider das Shuttle vom Camping noch nicht. Den alternativen Talhatscher sparen wir mehr aus Zeitgründen und weniger aus Faulheit. Zudem bin ich diese Strecke erst am Tag zuvor noch mit Getränken in der Hand marschiert und verzichte diesmal gerne darauf. In Zermatt angekommen, geht es zu Fuß in der Morgendämmerung durchs Dorf bis zur Furi-Bahn.
Unsere Schultern machen sich ein klein wenig bemerkbar, da wir für die geplante Fünf- oder Sechs-Tages-Tour lediglich den 30l (respektive Jana 28l) Kletterrucksack dabei haben und sich zu diesem Zeitpunkt die meiste Ausrüstung und auch das 60m-Seil darin und darauf befindet. „Light & Fast Mountaineering“ ist eigentlich unser Motto und so haben wir nur das Allernötigste dabei, um möglichst wenig Gewicht am Berg zu tragen. Lediglich in der Zivilisation fühlt sich der Rucksack schwer an, sobald das Equipment am Körper ist, wird dieses Gefühl verflogen sein. Die Luxusartikel halten sich schwer in Grenzen. Nicht gespart haben wir aber am Sicherheitsequipment, warmer Kleidung (die wurde noch nötig) und an den Flaschenkapazitäten. Dank unserer Camelbak-Flaschen am Schultergurt kommen wir auf 1,75l Wasser pro Person, welche wir aber selten wirklich komplett brauchen. Ebenfalls dabei ist die gesamte Gletscherausrüstung, eine vorbereitete Standplatzschlinge und ein Friend. Für 75 Franken pro Person gelangen wir aufs Klein Matterhorn und sind dort sicherlich eine der wenigen Seilschaften, welche die Fahrt „One Way“ lösen. Mit uns in der Gondel sind die üblichen Menschenmassen, welche von der Bergstation am Klein Matterhorn die nur rund 350 Höhenmeter in ausgetretener Spur aufs Breithorn gelangen möchten. Der leichteste und gemütlichste Viertausender lockt doch recht viele – zum Teil auch unerfahrene Bergsteiger – hier her. Doch wer kann es ihnen verdenken, zu genial sind doch die Bedingungen und das Wetter an diesem Tag.
Oben angekommen, lassen wir den Tagesausflüglern den Vortritt, denn wir haben an diesem Tag nicht allzu viel Stress. Wir mogeln uns kurz ins noch geschlossene Restaurant, um einen letzten luxuriöseren Toilettengang zu erleben. Draußen angekommen, empfangen uns angenehme Temperaturen um die null Grad und Sonnenschein. Im Tal liegt noch ein morgendliches Wolkenmeer und wir genießen den Ausblick hinüber zu Matterhorn, Dent d’Hérens, Grand Combin und dem Mont-Blanc-Massiv, welches aus der Ferne grüßt. Bewusst langsam laufen wir nach einer Fotosession dann auf der Skipiste los, welche wir nach kurzer Zeit zum Breithornplateau hin verlassen. Wir möchten, trotz der sehr guten Akklimatisierung durch unsere Touren auf Lagginhorn, Alphubel und Dom in den Tagen zuvor, den Körper langsam in der Höhe ankommen lassen. Was schlechte Akklimatisierung auslösen kann, musste ich im Frühjahr feststellen, als ich auf Skitour am Piz Palü doch recht schnaufen musste. Einiges ist los an diesem sonnigen Tag am Breithorn und so stressen wir uns nicht, sondern reihen uns hinter ein paar vorausgegangenen Seilschaften ein.
Nach entspannten 75 Minuten Gehzeit stehen wir am Gipfel des Breithorns (4164m). Der erste Viertausender dieser Tour ist sicher der einfachste, den wir überhaupt erlebt haben. Verglichen mit Touren wie dem Rimpfischhorn von der Britanniahütte ist dieser Viertausender nicht allzu hart verdient. Im Gegensatz zum alpinistischen Anspruch steht wiederum das Gipfelpanorama auf dem westlichsten Breithorn-Gipfel anderen Viertausendern in nichts nach. Wir blicken in der einen Richtung auf das imposante Matterhorn, auf der anderen Seite können wir schon den weiteren Weg der kommenden Tage ausmachen und im Norden erheben sich auf beiden Seiten des Mattertals die berühmten Gipfel des Wallis mit Weisshorn, Zinalrothorn, Dent Blanche und auf der anderen Seite das Mischabel-Massiv. Wir schießen ein paar Fotos und auch hier oben ist es angenehm warm, sodass die Handschuhe für ein paar Minuten ausgezogen sind.
Die meisten Seilschaften kehren sich am Gipfel wieder in Richtung Abstieg, doch wir möchten einen Teil der Breithorn-Traverse gehen und einen weiteren Viertausender besteigen. Der überschaubare alpinistische Anspruch endet dann aber auch auf dem Breithorn-Hauptgipfel, denn ab jetzt ist Balance gefragt. Über einen schönen Firngrat geht es hinüber zum Breithorn-Mittelgipfel.
Dieser Gipfel ist ebenfalls ein offizieller Viertausender und erhebt sich mit 4156m knapp so hoch über dem Tal wie der Westgipfel. Von hier aus sieht die gesamte Traverse des Breithorns, von der Roccia Nera kommend, sehr spannend aus. Auch diese Tour steht auf unserer Wunschliste, doch heute sind wir strategisch in die falsche Richtung unterwegs. Die Tour ist empfehlenswert von Ost nach West – da wir aber östlich des Breithorns unser erstes Quartier haben, passt uns die Traverse nicht in den Plan. Jedenfalls muss die Kletterei am Grat traumhaft sein, denn die Kulisse zu beiden Seiten ist atemberaubend.
Nach einem weiteren Gipfelfoto drehen wir wieder um und steigen auf dem scharfen Firngrat zurück in den Sattel zwischen West- und Mittelgipfel. Von dort können wir schräg am Hang auf den Gletscher absteigen und erreichen eine Spur, welche unterhalb des Breithorns auf der Südseite in Richtung Osten traversiert. In dieser Spur stapfen wir zügig hinüber, wo wir nach nicht mal einer halben Stunde den Felsen erreichen, auf dem das Bivacco Rossi e Volante steht. Diese Biwakschachtel ist aufgrund der tollen Lage und der grandiosen Aussicht definitiv einen Besuch wert – leider ist sie häufig in nicht besonders ordentlichen Zustand. Doch im Frühjahr hat Benedikt Böhm, der Geschäftsführer von Dynafit, in einer mehrtägigen Aktion das Biwak aufgeräumt und gesäubert und so soll es in diesem Sommer wohl recht ordentlich und sauber sein. Für uns bleibt das Biwak heute aber am Wegesrand liegen, denn wir steigen nun am Schwarztor vorbei zu einer kleinen Anhöhe unterhalb des Pollux auf.
Von hier geht es auf dem Vérazgletscher noch 500 Höhenmeter hinunter zu unserem heutigen Stützpunkt. Spektakulär brechen die Séracs des Gletschers neben uns ab und wir steigen auf dem langsam aufweichenden Gletscher rasch ab zum Rifugio Guide de Val d’Ayas. Diese Hütte liegt recht exponiert auf einer Felskanzel in den Gletscher eingebettet hoch über dem schönen Ayas-Tal, einem Seitental des Aostatals. Wir genießen einen italienischen Kaffee auf der Hüttenterrasse und freuen uns schon auf die nächsten tollen Tourentage in einer der beeindruckendsten Gegenden der Alpen.
Am folgenden Tag peilen wir Pollux und Castor an, zwei tolle Viertausender, welche sich zwischen Breithorn und Liskamm auf der italienisch-schweizerischen Grenze erheben. Die Geschichte zu diesem Tag und zur Namensherkunft der Spaghetti-Tour im nächsten Artikel in diesem Blog.
Facts zur Tour
Fazit
Der Auftakt der Spaghetti-Tour stellt eine einfache Hochtour dar. Wer die Runde „by fair means“ starten möchte, der kann auch von Zermatt via Gandegg-Hütte aufsteigen, dann sollte aber eine weitere Übernachtung eingeplant werden. Da der Weg aus Zermatt zum Klein Matterhorn aufgrund des Skigebiets jedoch wenig schön ist, verzichten fast alle Alpinisten darauf und nehmen die Seilbahn. Wer sich die Breithorn-Traverse in West-Ost-Richtung zutraut und viel Gegenverkehr in Kauf nimmt, der kann auch diese Tour hier einbauen, allerdings macht die Überschreitung mehr Sinn in Ost-West-Richtung. Die Gipfel sind unschwierig, lediglich auf dem Vérazgletscher ist Vorsicht geboten, da hier doch einige Spalten im Abstieg zur Ayas-Hütte lauern.
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