Kombinierte Hochtour in den Walliser Alpen von der Britanniahütte über Allalinpass und Rimpfischsattel.
Das Rimpfischhorn – was für ein majestätischer Name. Dieser Viertausender in den Walliser Alpen zeichnet sich durch seine Abgelegenheit aber auch durch seinen hochalpinen Charakter aus. Sowohl von Zermatt, als auch von Saas-Fee ist der Zugang lang und anstrengend. Besonders der Weg von der Britanniahütte hat es im Spätsommer in sich – dazu aber später mehr. Wir bekommen keinen Platz auf der Täschhütte und so wählen wir die Anstiegsroute über die Britanniahütte auf der wir Mitte September einen Platz ergattern können. Vorteilhaft ist dort der verkürzte Hüttenzustieg, denn aufgrund unserer Tour über den Hohlaubgrat am Tag zuvor, wählen wir die bequeme Variante und dank unserer Saastal-Card schweben wir von Saas-Fee gratis aufs Felskinn. Somit bleiben neben dem Zustieg von Saas-Grund nach Saas-Fee nur mehr 150 Höhenmeter und 45 Minuten im Zustieg zur Britanniahütte. Während meine beiden Begleiterinnen Jana und Lena sich am Nachmittag den Vorzügen des Hüttenlebens in Form von Relax-Sesseln, Kuchen und anderen Leckerein hingeben, möchte ich noch ein bisschen Recherche betreiben und steige von der Hütte den Weg bis zum Hohlaubgletscher hinunter. Von dort habe ich einen guten Überblick über den Hohlaub- und den Allalingletscher, welche wir am nächsten Tag beide in der Dunkelheit betreten werden. Außerdem kann ich mir so bei Tageslicht ein paar Anhaltspunkte im Moränengelände suchen, denn die Wegfindung zum Allalingletscher gestaltet sich zuweilen schwierig. Generell ist das Rimpfischhorn ein eher selten begangener Viertausender, denn die Distanzen und auch die Gesamtanforderung ist doch einigermaßen hoch. Vielleicht ist der Gipfel sogar im Winter sinnvoller zu besteigen, wenn zwar der Gipfelaufbau bei Schnee zu klettern ist, aber der Abstieg auf allen Seiten etwas kräfteschonender abläuft.
Nach einer erholsamen Nacht starten wir im Wissen, dass wir an diesem Tag wohl nur mit einer weiteren Seilschaft zusammen am Berg unterwegs sein werden, in Richtung Rimpfischhorn. Die Uhr zeigt exakt 3:30 Uhr, als wir vor der Hütte die Tracks starten und im Schein der Stirnlampe zunächst zum Hohlaubgletscher absteigen und diesen dann noch ohne Seil und Steigeisen – hier führt ein markierter Weg über den Gletscher – traversieren. Im Moränenfeld angekommen, beginnt die Suche nach dem richtigen Weg. Viele Steinmänner und solche, die welche werden möchten, weisen uns den Weg und leider auch das ein oder andere Mal die falsche Richtung. Langsam aber sicher arbeiten wir uns zunächst in südlicher, dann in westlicher Richtung vorwärts und betreten knapp unter 3000m den Gletscher an einer geeigneten Stelle. Der nun folgenden Beschreibung der Verhältnisse ist hinzuzufügen, dass wir uns Mitte September am Ende eines langen, heißen und sehr trockenen Sommers auf den Weg zum Gipfel machen. In Jahren, wenn die Schneeauflage höher, der Sommer kühler oder man schlicht zu einem früheren Zeitpunkt im Jahr unterwegs ist, können die Verhältnisse auf der Tour ganz anders sein.
Immer von der Orientierung in der Nähe des rechten (orthografisch linken) Randes des Gletschers haltend, steigen wir langsam aufwärts. Immer wieder versperren uns die ausgeaperten Spalten in Größen von Lastwagen den Weg und wir müssen nicht selten 50m nach links und rechts ausweichen. Immer wieder knapp vor oder hinter uns befindet sich die Zweierseilschaft von Toni Spirig – einer Schweizer Berg-Legende, mehrere Erstbegehungen sowie viele Expeditionen in Himalaya, Patagonien und Alaska als Expeditionsleiter zieren seine Vita. Das wiederum erfahren wir erst hinterher, in der Dunkelheit im Spaltenlabyrinth haben wir keine Zeit für einen kurzen Plausch.
Als kurz nach sieben die Sonne aufgeht, befinden wir uns schon im Aufschwung unter dem Allalinpass, dem ersten Etappenziel am heutigen Tag. Toni und sein Gast sichern den Hang mit Eisschrauben, ich verzichte für uns hierauf und wir wählen eine flachere Variante etwas rechts und kommen so ohne „schrauben“ durch die steilsten Stellen gut durch. Um 7:15 Uhr haben wir die „Passhöhe“ erreicht und gönnen uns nach knapp vier Stunden die erste Pause mit einem kurzen Snack. Da es sehr kalt ist, versuchen wir schnell weiter zu kommen und schlagen sogar das Angebot eines Appenzeller Bibberlis von Toni aus.
Im leichten Auf und Ab geht es über den Mellichgletscher, immer mit dem Zermatter Panorama aus Weisshorn, Zinalrothorn, Ober Gabelhorn, Dent Blanche und Matterhorn zur Rechten langsam aber sicher dem Rimpfischsattel zu.
Auf knapp 4000m machen wir am Rimpfischsattel um 9:20 Uhr nochmals eine kleine Pause. Von hier gilt es, einem Schneecouloir nach oben zu folgen und auf Höhe eines markanten Knicks nicht weiter nach rechts zu steigen, sondern nach links in die Felsen zu wechseln (Schlingenstand). Dieses Couloir präsentiert sich passend zur Jahreszeit und dem warmen Sommer sehr ausgeapert und besteht im oberen Teil quasi nur aus Schutt, Dreck und ist durchzogen mit Wassereis. Wir lassen die Steigeisen vorerst an den Füßen, denn nur so ist ein Vorankommen in diesem recht unangenehm zu gehenden Gelände möglich. Am Schlingenstand ziehen wir die Eisen ab, denn ab hier ist die weitere Route bis zum Gipfel offenbar schneefrei (dies ist extrem selten der Fall).
Die nun folgende Kletterei auf den Vor- und später auf den Hauptgipfel bereitet uns zwar keinerlei Schwierigkeiten, aber wir lassen zunächst Toni und seine Partnerin vor und klettern so gemütlich als zweite Seilschaft hinterher. Meist am laufenden Seil geht es im IIer Gelände mit grandiosem Panorama aufwärts und dem Vorgipfel zu. Eine Stelle sichern wir seillängenweise, denn hier muss man durch einen kleinen Kamin (III) aufwärts, durchaus exponiert. Vom Vorgipfel geht es nun fast eben auf dem Blockgrat hinüber zum Gipfelaufbau.
Kurz nach halb 12 erreichen wir dann den Gipfel und sind zu diesem Zeitpunkt mit acht Stunden inkl. Pausen ab der Hütte zwar lang unterwegs, aber im Zeitplan. Wir genießen das grandiose Panorama mit Viertausendern rundum und soweit das Auge reicht. Ein Helikopter kommt recht nah an den Gipfel und die Touristen, die für viele hundert Franken den Rundflug gebucht haben, winken uns zu. Wir freuen uns, dass wir das deutlich größere Erlebnis für weitaus weniger Geld gebucht haben.
Wissend, dass der Rückweg bis nach Saas-Almagell sehr weit sein würde, brechen wir nach kurzer Gipfelrast wieder auf und klettern vorsichtig zurück zum Vorgipfel. Nun folgt ein etwas längerer Abstieg, da wir als Dreierseilschaft auf den Abseilstellen viel Zeit benötigen. Wir gehen auf Nummer sicher und seilen die absturzgefährdeten Passagen ab. Dank 60-Meter-Seil ist das auch ohne Weiteres möglich. Gerne opfere ich eine meiner Schlingen, um an einem massiven Block den letzten Teil des Felsriegels hinunter zum Couloir abzuseilen.
Kurz vor dem Beginn des Schneefelds oberhalb des Rimpfischsattels verhakt sich leider unser Seil beim Abziehen. Da ich nicht Willens war, in diesem Gelände (technisch einfach), das Seil zurückzulassen, steige ich am freien Seilstrang „gesichert“ nochmal auf zum Abseilpunkt und löse das Seil. Erneut abseilend komme ich am Couloir an und im zweiten Versuch lässt sich das Seil abziehen. Dieser Prozess dauert natürlich seine Zeit und so stehen wir erst kurz nach halb 3 wieder auf dem Rimpfischsattel, wo wir erneut ans lange Seil gehen und den langen Rückweg beginnen.
Der nun folgende Abstieg geht zunächst zügig von statten – wir sind nach nur einer Stunde zurück auf dem Allalinpass. Die Schneeauflage ist auch am Nachmittag noch recht kompakt und wir brechen nicht ein. Oben auf dem Allalinpass zeigt sich die späte Jahreszeit aber als Fluch und Segen. Zwar sind wir froh, dass der Allalingletscher im unteren Teil komplett aper ist und wir so das Risiko eines nachmittäglichen Spaltensturz ausschließen können, jedoch bedingt das auch, dass wir jeder einzelnen Spalte, welche wir nicht überspringen können, mühsam mit Umwegen ausweichen müssen. Im oberen Teil sind wir noch zügig unterwegs, im unteren Teil des Gletschers kommen wir jedoch in den Spaltenbruch, welchen wir zwingend durchqueren müssen. Wir überlegen noch kurz, ob wir zum Abendessen auf die Britanniahütte links abbiegen sollen, aber der Gedanke an eine Dusche, Ausschlafen am nächsten Tag und frische Kleidung macht uns Beine. Nachdem wir den Gletscher verlassen haben, machen wir nochmal eine ausgiebige Pause.
Erst um 19:00 Uhr laufen wir anschließend auf dem Hüttenweg (Glacier Trail) über den unteren Teil des Allalingletschers, zu diesem Zeitpunkt dann ohne Steigeisen und Seil, dafür von Markierungsstangen gut geleitet. Die letzten 50hm Gegenanstieg verlangen nochmal unseren vollen Willen und um 19:25 Uhr beginnen wir dann den finalen Abstieg zum Mattmark-Stausee. Weitere 800 Höhenmeter wollen auf dem Abstieg bewältigt werden, bevor wir im Schein der Stirnlampen am Stausee ankommen.
Eine extrem fordernde und vor allem mental anstrengende Tour geht zu Ende. Bei perfektem Wetter können wir uns die späte Rückkehr über einen aperen Gletscher erlauben, obgleich waren wir alle drei sehr froh sind, uns am folgenden Tag nicht allzu viel bewegen zu müssen.
Facts zur Tour
Fazit
Ein Viertausender, den man sich – speziell von Saas-Fee aus – sehr verdienen muss. Die Zustiege von der Täschhütte oder der Fluhalp sind ein wenig kürzer und insbesondere bei starker Ausaperung angenehmer zu gehen. Wer noch ganz ins Tal absteigt, der muss einen ganzen Tag einplanen und sollte früh starten. Die Kletterei zum Vorgipfel ist nie wirklich schwierig, jedoch in hochalpiner Umgebung und stets in Absturzgelände. Wer das Rimpfischhorn bestiegen hat, der hat in jedem Fall ein großes alpines Abenteuer erlebt!
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